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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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hatte sich unbemerkt herangepirscht und stand nun, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, vor mir. Man sah ihm an, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
    »Ihr braucht mich nicht Tante zu nennen. Lulu oder Louisa reicht.«
    Das war mir lieber. Ich fand, dass die Anrede Tante irgendwie alt machte, und, was fast noch schlimmer war, sie erinnerte mich an unsere Tante Martha. Wenn sie mal wieder telefonisch einen Besuch angedroht hatte, war Nina und mir sofort klar gewesen, was das bedeutete: Großwaschtag. Vor ihrem Auftauchen waren Nina und ich von unserer Mutter in die Wanne gesteckt und von Kopf bis Fuß geschrubbt worden, damit wir auch ja sauber und gepflegt aussahen. Danach hatten wir uns freiwillig gewaschen, um die Spuren von Tante Marthas feuchten Küssen wieder loszuwerden.
    »Du, Lulu?«, kam Finn seinem Bruder nun zu Hilfe. »Hast du uns was mitgebracht?«
    Ach du heiliger Bimbam! Ich war tatsächlich um keinen Deut besser als Tante Martha. Die war auch immer mit leeren Händen bei uns aufgekreuzt. Wenn sie uns wenigstens was Süßes oder eine Kleinigkeit zum Spielen zugesteckt hätte, wäre die Abschlabberei sicher um einiges leichter zu ertragen gewesen.
    Ich dachte fieberhaft nach. Plötzlich fiel mir die Tüte Gummibärchen ein, die ich am Düsseldorfer Bahnhof für die Fahrt erstanden hatte. Da ich unterwegs keinen richtigen Appetit gehabt hatte, war sie noch fast unberührt, lediglich ein paar Bärchen hatten zwischen Bochum und Dortmund ihr Leben ausgehaucht. Unter Lukas’ und Finns erwartungsvollem Blick kramte ich in meiner Handtasche herum und überreichte den Kindern schließlich stolz die Gummibärchen. Das war ja gerade noch mal gut gegangen. Zumindest fast ...
    »Die ist ja offen«, stellte Lukas anstelle eines Dankeschöns vorwurfsvoll fest.
    »Ups, na so was«, tat ich überrascht. »Die Tasche ist so voll. Als ich darin herumgewühlt habe, muss die Tüte aufgegangen sein«, flunkerte ich ungeniert. Es war nicht anzunehmen, dass Nina gleich morgen zurückkehren würde. Ich hatte also noch genügend Zeit, in die Vorbildrolle hineinzuwachsen ... »Aber teilt die Gummibärchen mit eurem Bruder.« Zumindest das hatte in meinen Ohren pädagogisch wertvoll geklungen.
    Lukas und Finn gaben sich mit der Erklärung zufrieden, schnappten sich ihre Beute und verkrümelten sich mit den Gummibärchen in die Sofaecke. Vermutlich würden sie nicht eher wieder auftauchen, bis die Tüte leer war.
    Als ich meine Aufmerksamkeit erneut auf die Erwachsenen lenkte, bemerkte ich Rebeccas tadelnden Blick. Und irgendwie hatte ich den leisen Verdacht, dass es nicht die aufgerissene Tüte war, durch die ich bei ihr in Ungnade gefallen war.
    Rebecca strich sich mit einer anmutigen Geste eine Locke aus dem Gesicht. Schwer zu sagen, ob die Strähne sie wirklich gestört hatte oder ob sie einfach nur mit ihren tollen Haaren angeben wollte.
    »Wir versuchen, den Kindern möglichst wenig Süßkram zu geben«, erklärte sie dann.
    Wir?!? Dass sie so unverhohlen in der Wir-Form sprach, schlug dem Fass nun wirklich den Boden aus!
    Aber sie war noch nicht fertig. Mit einem zuckersüßen Lächeln fügte sie noch hinzu: »Wir legen im Kindergarten viel Wert auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung und begrüßen es sehr, wenn die Eltern auch zu Hause mit uns gemeinsam an einem Strang ziehen.«
    »Rebecca ist Erzieherin in dem Kindergarten, den Lukas und Finn besuchen«, klärte Daniel mich auf.
    »Wie schön.«
    Falls Daniel und Rebecca die Ironie in meiner Stimme aufgefallen war, ließen sie es sich nicht anmerken. Dass der Weg zum Herzen des Vaters nicht über den Magen, sondern über seine Kinder führte, war nicht besonders schwer zu erraten. Aber sicherheitshalber fuhr Rebecca offenbar zweigleisig. Daniel nahm sich einen Keks von dem Teller, den Rebecca in die Tischmitte gestellt hatte. Beim Anblick der Plätzchen begann mein Magen zu knurren. Kein Wunder, denn seit dem Frühstück hatte ich abgesehen von den paar Gummibärchen nichts mehr zu mir genommen. Und selbst das war, wenn ich Rebecca Glauben schenkte, bereits ein schrecklicher Fehler gewesen.
    »Gummibärchen enthalten viel zu viel Zucker«, referierte die Vorzeigeerzieherin freundlich lächelnd. »Die Lust auf Süßes lässt sich auch auf gesunde Weise stillen.« Rebecca wies auf den Plätzchenteller. »Vollkornkekse. Hab ich erst vorhin mit den Kids gebacken.«
    »Das konnte ich nicht wissen«, verteidigte ich mich.
    »Natürlich nicht. Aber jetzt weißt du ja

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