Maenner in Freilandhaltung
immer noch, eingekeilt zwischen Hannah und Rebecca, an der Theke. Wie beruhigend: Umfallen konnte er schon mal nicht. Aber das war nun wirklich meine kleinste Sorge. Dummerweise vollführte Jan just in diesem Moment eine schwungvolle Drehung, sodass ich das Trio wieder aus den Augen verlor. Mist!
Vielleicht hätte der liebe Gott sich für sein ehrgeiziges Schöpfungsprojekt ein bisschen mehr Zeit nehmen sollen, dachte ich, während ich mich bemühte, Daniel, Hannah und Rebecca erneut ins Blickfeld zu bekommen. Was waren schon sieben Tage? Kein Wunder, dass der menschliche Körper hier und da Defizite aufwies. Über die Zähne brauchten wir erst gar nicht zu reden – absoluter Murks. Auch ein paar Hände mehr wären nicht schlecht. Ganz zu schweigen von dem Manko, dass man hinten im Kopf keine Augen hatte. Was sich gerade jetzt als ziemlich nachteilig erwies. Ich musste mir beim Tanzen ganz schön den Hals verrenken, um Daniel weiter beobachten zu können.
»Suchst du jemand Bestimmtes?«, fragte Jan. Er klang ein wenig gekränkt.
»Nein, nein«, log ich schnell und spürte, wie ich dabei errötete. »Alles okay. Ich hab nur nach den Toiletten Ausschau gehalten ... man weiß ja nie.«
»Na dann ist es ja gut. Und ich dachte schon, du guckst dich bereits nach dem nächsten Tanzpartner um.«
Ich nahm mir vor, Daniel von nun an etwas unauffälliger zu observieren. Doch als ich endlich wieder freien Blick auf die Theke hatte, war mein Zielobjekt verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Mist, verdammter! An der Stelle, an der ich Daniel zuletzt gesehen hatte, stand nur noch Rebecca mit sauertöpfischer Miene und einem leeren Bierglas in der Hand. Da bei Hannahs akribischer Planung nicht davon auszugehen war, dass bereits jetzt das Bier ausgegangen war, musste ihr etwas anderes die Petersilie verhagelt haben. Und richtig – nach der nächsten Drehung sah ich den Grund für Rebeccas schlechte Laune: Keine zwei Meter von Jan und mir entfernt wagten Daniel und Hannah ebenfalls ein kleines Tänzchen. Und ein Wagnis war es ganz bestimmt – zumindest für Daniel, denn Hannah wand sich beim Tanzen wie eine Würgeschlange um seinen Hals. Äußerst beunruhigend – denn obwohl Daniel nach menschlichem Ermessen kaum noch Luft bekam, sah es nicht so aus, als sei ihm das unangenehm!
Zum Glück war in diesem Moment das Stück zu Ende, und die Band legte ihre Instrumente zur Seite. Erwartungsvolle Stille senkte sich über das Festzelt. Der erste Höhepunkt des Abends stand unmittelbar bevor: die alljährliche Versteigerung, von den Dorfbewohnern auch scherzhaft Sklavenmarkt genannt. Alle Augen richteten sich auf die Bühne, wo Vicky, die als Auktionator fungierte, gerade nach dem Mikro griff.
»Hallo zusammen! Wir freuen uns sehr, dass ihr heute hier seid!«
Wen Vicky wohl mit »wir« gemeint hatte? Sich selbst und das doppelte Lottchen? Und wenn schon, dachte ich pragmatisch. Sex sells ... War ja schließlich für einen guten Zweck. Der Erlös dieser Versteigerung sollte dem Kindergarten zugutekommen, der für den Außenbereich dringend neue Spielgeräte benötigte. Da ich wusste, wie sehr sich Lukas und Finn ein großes Klettergerüst wünschten, hatte auch ich mich als »Versteigerungsobjekt« zur Verfügung gestellt. Bevor es losging, erklärte Vicky die Regeln für die Auktion. Das Mindestgebot lag bei zwanzig Euro. Der Höchstbietende erhielt den Zuschlag und durfte innerhalb der nächsten Woche zwei Stunden lang frei über die von ihm ersteigerte Person verfügen.
»Treppenhaus putzen, Unkraut jäten – alles ist erlaubt, solange es moralisch vertretbar ist«, sagte Vicky augenzwinkernd.
Dass ausgerechnet Vicky, die an diesem Abend ein hautenges silbernes Kleidchen trug, das so tief dekolletiert war, dass ihre Brüste fast herauspurzelten, von Moral sprach, entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Als ich mich im Festzelt umschaute, entdeckte ich auf den Gesichtern einiger Herren ein lüsternes Grinsen. Vermutlich hatte Vicky ihnen in der Vergangenheit ihre Dienste ohne moralische Bedenken und völlig kostenlos zur Verfügung gestellt. Allerdings stand sie an diesem Abend zum Bedauern vieler männlicher Besucher nicht zur Disposition. Das erste Versteigerungsobjekt wurde aufgerufen. Paul, der Ehemann von Bäckereiverkäuferin Bärbel, sollte verschachert werden.
»Hey, Leute, seht euch diese Muskelpakete an.« Vicky legte ihre Hand auf Pauls Oberarm, und der ließ brav seinen Bizeps spielen. »Wenn ihr irgendwelche
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