Männer sind Helden
Schreibtisch, wog seine Briefe auf einer altmodischen Waage aus und versah sie danach mit dem korrekten Porto. „Warum lässt du diese Arbeiten nicht von deinen Angestellten erledigen?“, fragte ich ihn.
„Die sind dazu nicht in der Lage. Die kleben sicherheitshalber immer zuviel Porto auf die Briefe, weil sie zu faul sind, jeden einzeln auszuwiegen. Im Laufe der Jahre kommt da ein hübsches Sümmchen zusammen.“ Er schüttelte den Kopf: „Nein, da mache ich das lieber selbst.“
Ich zündete mir eine Zigarette und kam noch einmal auf unser Thema zurück. „Benimmt sich Susi denn auch so merkwürdig?“
„Merkwürdig ist wohl noch stark untertrieben. Seit Philip da ist, existiere ich für sie gar nicht mehr. Alles dreht sich nur um das Kind. Wenn ich von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause komme, muss ich mir stundenlang anhören, was sie mit unserem Kind erlebt hat. Sie erzählt mir, wann er gebrüllt hat, was er gegessen hat, wann er gepupst hat und warum.“ Er stapelte seine Briefe säuberlich auf einen Haufen, dann fuhr er fort: „Ich meine, es ist ja nicht so, dass mich das alles nicht interessiert. Aber ich finde, es muss doch auch andere Themen geben. Wenn ich ihr etwas über meine Probleme erzählen will, hört sie überhaupt nicht zu. Sie ist nur noch Mutter, vom Sex ganz zu schweigen.“
Ich nickte verständnisvoll. „Redet sie denn noch davon, dass sie wieder arbeiten will?“
„Das ist weniger geworden. Wahrscheinlich, weil sie keine Zeit mehr hat, an den Reikistunden mit Irene und Isabel teilzunehmen. Dafür steht jetzt ein Stillkursus und eine Elterngruppe für alternative Säuglingspflege auf dem Programm.“
„Stillgruppe?“, fragte ich erstaunt, „was soll das denn nun wieder sein?“
„Da treffen sich Frauen, um gemeinsam kindgerechtes Stillen zu erlernen.“
„Wieso lernen? Können Frauen das nicht von Natur aus?“
Rudi zuckte die Achseln: „Frag mich nicht, frag mich nicht!“ Er wühlte in einem großen Karton, in dem sich Akten und Papier befanden. Er zog einen zerknitterten Bogen Geschenkpapier mit goldenen Sternen hervor. „Wusste ich doch, dass ich das Papier aufbewahrt hatte“, sagte er und strich den Bogen glatt. Dann wickelte er damit ein Paket ein, in dem sich ein Windlicht befand.
„Meine Mutter hat morgen Geburtstag“, erklärte er.
„Das ist doch Weihnachtspapier, oder?“
„Na und? Sterne gibt es das ganze Jahr über, und außerdem habe ich das Windlicht von einem Mandanten zu Weihnachten geschenkt bekommen – dann passt es wieder.“
Udo war mit seinem Latein ebenfalls am Ende. „Ich glaube, ich gebe es auf, mich in die Psyche der Frauen hineindenken zu wollen“, sagte er. „Am wenigsten begreife ich die Logik der Frauen. Seit drei Wochen habe ich Irene keine Blumen mitgebracht. Und weißt du, was sie mir jetzt vorwirft?“ Ich schüttelte den Kopf. „Sie sagt, ich würde ihr nie Blumen mitbringen.“ Wir saßen bei ihm im Garten und ließen uns die erste richtig warme Frühlingssonne ins Gesicht scheinen. In den Beeten blühten gelbe Narzissen, rote Tulpen und violette Hyazinthen um die Wette. Vor unseren Füßen stritten sich zwei Spatzen um eine Krume Brot. Irene war mit den Kindern zum Spazieren an den Strand gefahren, also störte kein lärmender Sprössling unser Gespräch. „Ich gebe dir ein anderes Beispiel“, fuhr Udo fort. „Wie du weißt, bin ich nicht sehr begeistert von Irenes Plänen, ein Modeatelier eröffnen zu wollen. Nun ist sie der Ansicht, dass ich sie noch nie beruflich unterstützt habe.“
„Ja, das kenne ich auch“, sagte ich, „Frauen haben eben ihre eigene Logik. Deshalb ist es auch so schwer, mit ihnen zu reden. Man muss schon sehr vorsichtig sein, was man sagt, sonst kann ein normales, unverfängliches Gespräch leicht in Streit ausarten.“
„Wem sagst du das!“ Wir tranken unser Bier und unterhielten uns dann über mögliche Kapitalanlagen auf dem Immobilienmarkt. Udo wollte unbedingt in diesem Jahr ein weiteres Mietshaus erwerben, weil er sonst seinen ganzen Gewinn versteuern müsste. Ich versprach ihm, mich einmal umzuhören.
Als ich bereits in der Tür stand, um zu gehen, fiel Udo noch etwas ein:
„Übrigens: Isabel hat sich mit Doktor verlobt.“
Dieser Satz traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. „Wie bitte?“, stotterte ich.
„Wieso denn? Ich meine, ist sie etwa schwanger?“
Udo lachte. „Mensch, ich wollte dir keinen Schrecken einjagen. Nein, soweit ich weiß, bekommt sie kein
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