Männer sind Helden
einen Termin mit Frau Grölling. Sie erschien in einem eleganten, blauen Kostüm in meinem Büro. Nachdem sie mir die Hand gereicht hatte, legte sie gleich los: „Glauben Sie bloß nicht, dass Sie mich über den Tisch ziehen können. Ich weiß, was mir zusteht, und genau das will ich auch bekommen.“
„Schon gut, schon gut“, beruhigte ich sie, „kein Mensch will Sie über den Tisch ziehen.“
Sie zupfte an ihrem Rock und blickte mich misstrauisch an. „Bestimmt hat mein Mann schlimme Sachen über mich erzählt, und Sie sehen es jetzt geradezu als Ihre Pflicht an, mich fertigzumachen.“ Frau Grölling war wirklich aufgebracht. Um die Situation zu entschärfen, ließ ich uns erst einmal von Frau Rohrbein einen Kaffee bringen.
Dann versuchte ich Frau Grölling zu erklären, dass es überhaupt nicht darum ginge, irgendeinen fertigzumachen, sondern darum, eine gemeinsame Lösung zu finden.
„Die Lösung steht doch im Gesetz“, sagte Frau Grölling energisch und richtete sich auf. „Wir haben keinen Ehevertrag, aber noch minderjährige Kinder. Also muss mein Mann für mich und die Kinder Unterhalt bezahlen, außerdem bekomme ich die Hälfte des Zugewinns.“ Frau Grölling war gut informiert, wahrscheinlich hatte sie sich zuvor bei einer dieser Emanzen-Anwältinnen beraten lassen.
„Haben Sie einen Anwalt?“, fragte ich sie.
„Eine Anwältin!“
„Dachte ich es mir doch“, murmelte ich.
„Wie bitte?“
„Schon gut!“
Frau Grölling war jedenfalls nicht bereit, sich mit einer Abfindung zufrieden zu geben. Wir einigten uns schließlich darauf, uns ein zweites Mal zu treffen. In der Zwischenzeit wollte sie sich die ganze Angelegenheit noch einmal durch den Kopf gehen lassen.
Die nächsten Abende verbrachte ich alleine vor dem Fernseher, Tiffany auf dem Schoß. Das Programm schien für einsame Menschen wie mich geschaffen zu sein, denn die besten Spielfilme begannen spät nach Mitternacht. Als ich ein Treffen mit meinen Kumpels absagte, um einen spannenden Krimi nicht zu verpassen, merkte ich, dass sich in meinem Leben etwas ändern musste.
34. Kapitel
Ich trat auf die Bremse. Mir war etwas Kleines, Graues vor das Auto gelaufen. Es war ein Kätzchen, keine drei Monate alt. Es sah unterernährt und zerzaust aus, außerdem war das linke Auge geschwollen. Es duckte sich ängstlich flach auf den Boden, als es mich sah. Ich hob es behutsam am Nacken hoch, trug es zu meinem Auto und legte es vorsichtig auf den Beifahrersitz. Bei der nächsten Telefonzelle hielt ich an, um einen Tierarzt anzurufen. Mein Blick fiel auf „Dr. Theo Krützfeld, Kleintierpraxis“, weil die Eintragung größer war als die anderen. Ich sagte der Sprechstundenhilfe, dass ich in einer halben Stunde mit einem Notfall vorbeikommen würde. Im Wartezimmer saßen zwei Männer mit ihren Hunden und eine Frau, die einen Käfig auf dem Schoß festhielt. Als ich sie fragend anblickte, sagte sie: „Wüstenspringmäuse.“ Ich nickte, obwohl ich keine springende Wüstenmaus sah. Wahrscheinlich hatten sich die Tiere in dem Strohhaufen in einer Ecke versteckt. Die Sprechstundenhilfe, ein mageres Mädchen mit strohblonden Zöpfen und Sommersprossen, kam zur Tür herein. „Der Nächste bitte!“ Der Mann mit dem Boxer ging ins Sprechzimmer. „Ich bin der Notfall“, sagte ich der Sprechstundenhilfe und deutete auf das Kätzchen. Sie zuckte mit den Schultern: „Trotzdem müssen Sie warten, bis Sie dran sind.“ Die Frau mit den Wüstenspringmäusen ließ mir den Vortritt: „Gehen Sie nur“, sagte sie, „auf mich wartet ja sowieso keiner!“
Der Tierarzt sah aus wie ein Mensch, der seinen Beruf liebt. Er war mittelgroß, schlank und hatte ein gutmütiges Gesicht. Sein schütteres Haar wirkte wie weichgespült und legte sich als Kranz um seinen Kopf. Er trug einen gräulichen Kittel und hatte die Ärmel hochgekrempelt. Dr. Krützfeld setzte die Katze behutsam auf den Behandlungstisch: „Na, dann wollen wir einmal schauen, was dem kleinen Racker fehlt. Ist das Ihre Katze?“
„Nein, ich habe sie vor einer Stunde gefunden. Sie tat mir leid, und da habe ich sie mitgenommen.“
„Haben Sie das Tier in der Stadt oder auf dem Land gefunden?“
„Auf dem Land, nicht weit von einem Hof entfernt.“
Dr. Krützfeld schüttelte den Kopf: „Leider ertränken Bauern immer noch junge Katzen oder überlassen sie ihrem Schicksal, anstatt die Weibchen sterilisieren zu lassen.“ Er zog eine Spritze auf: „Es scheint so, als hätten
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