Männer sind Helden
Eines Abends war ich alleine im „Nachtkaffee“, einer Musikkneipe mitten in der Stadt. Eine Jazzgruppe spielte, und es war ziemlich voll. Ich holte mir ein Bier und lehnte mich gegen einen Pfeiler schräg gegenüber der Bühne. Der Gitarrist, ein kleiner Typ mit Brille und strähnigen, blonden Haaren, spielte wirklich begnadet. Mit geschlossenen Augen inszenierte er seine Soli, ganz in die Musik versunken. Die Stimmung war klasse: Das Publikum lauschte andächtig und klatschte an den richtigen Stellen.
In der Pause sah ich sie. Der Zufall wollte es, dass ich Isabel traf. Vielleicht hatte mich aber auch mein Unterbewusstsein zu ihr geführt. Wie heißt doch ein chinesisches Sprichwort: Man trifft nur den Menschen, den man treffen will. Sie saß auf dem Schoß eines Typen in schwarzer Lederjacke, der mir den Rücken zuwandte. Auch ohne ihn richtig zu erkennen, wusste ich, wer es war: Doktor! Ich sah, wie er die Hand auf ihr Knie legte. Ich dachte an den Abend, als ich den beiden bis vor Isabels Haustür gefolgt war. Ich trank zwei Tequila hintereinander, dann ging ich Richtung Toiletten.
Auf der Treppe stieß ich mit Isabel zusammen. „Hallo, Alex! Was machst du denn hier?“, fragte sie unbekümmert. „Gut schaust du aus!“
Ich ging gleich zum Angriff über: „Alte Liebe rostet nicht, was?“
Sie errötete: „Wir sind nur Freunde!“
„Dürfen alle deine Freunde deine Knie betatschen?“
Sie zog ihre Augenbrauen hoch: „Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht“, sagte sie, während sie mich beiseite schob.
Mist, ich hatte wieder einmal alles verpatzt.
Von da ab ging ich nicht mehr so oft weg, sondern widmete mich meinem neuen Hobby, nämlich meiner Modelleisenbahn. Ich hatte sie beim Aufräumen im Keller unter einem Stapel alter Zeitungen entdeckt. Ich verbrachte meine Abende damit, eine Plattform aus Holz zu bauen und die Gleise darauf zu montieren. „Wozu brauchen wir eine Frau?“, fragte ich Tiffany, die mich aufmerksam bei meiner Arbeit beobachtete. „Wir können es uns doch auch ohne sehr gemütlich machen.“
Nachdem ich die Gleise befestigt hatte, begann ich eine Landschaft zu basteln. Zunächst baute ich aus Pappmaché Berge und Täler, die ich mit Farbe besprühte. Während ich meinen Zug ein paar Runden drehen ließ, setzte ich verschiedene Häuser aus kleinen Plastikteilen zusammen. Dann kreierte ich noch Bäume aus altem Draht, den ich an den Enden auseinander bog. Ich schnitt aus grünem Schaumstoff Blätter aus und beklebte die Enden damit. Dann kaufte ich winzige Plastikmenschen, Autos, Kühe und Schafe, die ich in der Landschaft verteilte. Eines Abends war mein Werk beendet. Ich saß auf meinem Stuhl, die Katze auf dem Schoß, und ließ den Zug zum x-ten Mal seine Runde drehen. Tiffany gähnte schläfrig. „Und was unternehme ich nun?“, fragte ich sie. Wie immer bekam ich keine Antwort.
33. Kapitel
In meinem Job hatte ich eine Pechsträhne. Ich verlor einen Fall nach dem anderen. Wenn ich nicht verlor, schaffte ich es nicht, für meine Klienten das Optimale herauszuholen. Zum Beispiel war ich nicht in der Lage, die Unschuld meiner Mandantin Ursel Kringel zu beweisen. Die achtzigjährige war von einem Detektiv beim Ladendiebstahl erwischt worden. Angeblich hatte sie sich eine Flasche Champagner und eine Packung Kondome der Marke „Billy Boy“ heimlich in die Tasche gesteckt. Der Detektiv gab während der Verhandlung an, sie dabei beobachtet zu haben. Frau Kringel trug vor, dass die Waren ihr untergeschoben worden seien. „Ein Dieb muss mir die Flasche und die Kondome in die Tasche gesteckt haben“, sagte sie zu dem Richter mit zittriger Stimme. „Was soll ich denn mit Kondomen anfangen, in meinem Alter?“
Der Richter war an diesem Tag schlecht gelaunt und überhaupt nicht beeindruckt: „Vielleicht haben Sie die ja für ihren Enkel geklaut!“
Frau Kringel wurde knallrot: „Was denken Sie, Herr Richter. Ich bin mein Leben lang noch nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.“
Der Richter blieb hart, er ließ sich auch nicht durch mein Plädoyer erweichen. Die alte Dame wurde zu zehn Tagessätzen à fünfzig Euro verdonnert. Mir tat die ganze Sache so leid, dass ich Frau Kringel anbot, die Strafe aus eigener Tasche zu bezahlen. „Nein, nein, Herr Grühnspahn, das kommt überhaupt nicht in Frage. Schließlich können Sie auch nichts dafür. Sie haben Ihr Bestes gegeben.“
Ich wusste es besser und kam mir unendlich mies vor.
Nachmittags hatte ich
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