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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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Konsument wird sich denken: Wieso soll ich nicht kaufen dürfen? Schließlich ist das meine eigene Entscheidung. Nun fangen diese Werbefuzzis auch noch an, mir Vorschriften zu machen. Von wegen KAHLE KÖPFE KOMMEN AN, wird er denken und sich dabei nachdenklich an seiner kahlen Stelle am Hinterkopf kratzen. Und wenn er dann Kräusel-Forte aus dem Regal nimmt und zur Kasse geht, wird er sich gut vorkommen, weil er ganz alleine diese Entscheidung getroffen hat. Und wir (und dabei hatte er Heinrich Grölling angeschaut) können uns ebenfalls gut fühlen, weil wir ihm geholfen haben, ein freies, über sich selbst bestimmendes Wesen zu sein. Und das ist einfach genial!“
    Ich wusste nicht, ob ich das genial finden sollte, oder einfach nur banal. Auf jeden Fall hatte ich Hunger, mein Magen knurrte fast die ganze Zeit. Außerdem hatte ich das Gefühl, als habe der unbequeme Maschendrahtstuhl bereits ein bleibendes Muster auf meiner Haut hinterlassen. Ich wusste eigentlich auch nicht, warum Heinrich Grölling mich bei diesem Meeting dabei haben wollte. Juristisch gesehen gab es jedenfalls überhaupt nichts zu tun. Grölling hatte mich darum gebeten, ihn zu begleiten, und da er einer meiner besten Mandanten ist, hatte ich zugestimmt.
    Nach einer weiteren Stunde sagte der Kreativ-Direktor endlich, dass im „Chez Nous“ ein Tisch für uns bestellt sei. Wir machten uns also auf den Weg an die Alster, wo sich das Nobelrestaurant befand.
    Ich saß neben dem stellvertretenden Geschäftsführer, Herrn Schmidt-Müller. Schon bald entdeckten wir eine gemeinsame Leidenschaft, nämlich das Tennisspielen, und hatten jede Menge Gesprächsstoff.
    Das Essen war gut, wenn auch nicht nach meinem Geschmack. Zunächst gab es ein kleines Stück geräucherte Forelle „an Blattsalaten“, dann folgte eine Schneckensuppe. In der dunkelbraunen Brühe schwammen jeweils drei Schnecken herum – wie abgezählt. Wenn ich eins hasse, sind es diese glibberigen Weichtiere. Da ich mir das nicht anmerken lassen wollte, steckte ich eine Schnecke nach der anderen in den Mund und schluckte sie unzerkaut hinunter.
    Nach dem Fischgang begannen die ersten Herren, etwas unruhig auf ihren Stühlen hin und her zu rücken. Der erste, ein draller Typ mit Halbglatze, blickte kurz zu seinem Tischnachbarn und verschaffte sich durch das Öffnen seines Hosenknopfes Erleichterung. Der Kreativ-Direktor machte es ihm nach. Amüsiert beobachtete ich dieses Schauspiel. Als die Kellner das Dessert reichten, war die Stimmung schon recht ausgelassen. Die ersten zotigen Witze nach dem Motto „Kommt eine Frau zum Arzt“ machten die Runde. Der kleine Dralle mit der Halbglatze erzählte einen Witz nach dem anderen. Er hatte schon reichlich Bordeaux intus; seine Augen glänzten fiebrig, und sein fettes Gesicht war mit hektischen roten Flecken übersät. Der Kreativ-Direktor war ebenfalls reichlich angetrunken und kicherte ständig vor sich hin, was mir reichlich weibisch vorkam. So wie er aussah – mit seinen milchigweißen Händen und der schmalen Taille – war er bestimmt schwul. Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen: Schwule verursachen mir eine Gänsehaut. Ich kann mit ihrem tuntigen Verhalten überhaupt nichts anfangen. Ich hatte einmal einen schwulen Rechtsanwaltsgehilfen bei mir angestellt, ich weiß bis heute nicht, was mich da geritten hatte. Der Kreativ-Direktor schlug vor, noch zur Reeperbahn zu fahren. Alle Herren stimmten begeistert zu, und da wir getrunken hatten, bestellten wir ein paar Taxen. Die Reeperbahn fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Es gibt keinen Ort in Hamburg, wo die Gegensätze so aufeinanderprallen wie dort. Unsere Männergruppe erregte gleich die Aufmerksamkeit der Damenwelt. Als wir an den Nutten vorbeischlenderten, sah ich immer wieder die Geldgier in ihren Augen aufblitzen. An der Ecke stand ein Mädchen mit kurzen Haaren und großen, dunklen Augen. Sie sah im Vergleich zu den anderen Prostituierten nicht so ordinär aus. Sie trug einfache, eng anliegende Jeans, Cowboystiefel und ein großes Sweatshirt mit Mickey-Maus-Aufdruck. Sie taxierte mich, aber ich wich ihrem Blick aus. Sie war bestimmt noch keine sechzehn. Wenig später sprach sie so ein dürrer Typ mit Goldrandbrille und hellgrauen Schläfen an, und die beiden verschwanden in einem Hausflur. Wir waren mittlerweile in eine Seitengasse eingebogen. Ein kühler Wind blies uns entgegen, und es begann zu nieseln. Plötzlich standen wir vor dem „Salander“. „Herein

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