Männer sind Helden
er hatte die obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Auf seinem Schoß hielt er einen kleinen Teller mit Chips fest, und auf der Lehne stand seine Bierflasche. Rudi interessierte sich nur für das Spiel, er hatte Udos Missstimmung überhaupt nicht bemerkt. Heinzi und Alfred waren ebenfalls im Fußballfieber und starrten konzentriert auf die Mattscheibe. Plötzlich klingelte das Telefon. Es war wirklich wie im Taubenschlag. Es konnte nur eine Frau sein. Welcher Mann würde schließlich während eines HSV-Spiels zum Telefonhörer greifen?
„Hallo, hier ist Isabel.“
„Hi, was gibt es?“
„Du klingst so komisch, ist etwas los?“
„Nein, was soll los sein, der HSV spielt gerade!“
„Aha?“
„Wir sitzen hier eben gerade, Rudi, Heinzi, Alfred, Udo und ich und gucken.“
„Ich störe also.“
„Toooorrr, Tooorrr!“, schallte es aus dem Nebenzimmer.
„Nun habe ich ein Tor verpasst, Mist!“
„Das ist aber tragisch!“ Isabels Stimme bekam diesen leicht bedrohlichen Ton, den ich bei ihr ja schon kannte.
„Nun sei nicht gleich beleidigt“, sagte ich.
„Ich bin nicht beleidigt.“
„Bist du doch.“
„Wenn du meinst“, sagte sie und legte ohne tschüß zu sagen auf. Ich legte den Hörer auf und rannte ins Wohnzimmer, um nicht auch noch den Rest des Spiels zu verpassen.
Als es zu Ende war, saß Udo immer noch mit abwesendem Blick auf dem Sessel.
„Was ist denn nur los mit dir?“
„Ach, nichts. Ich hatte heute nur so viel zu tun.“
„Mensch Udo, das glaube ich dir nicht. Wir kennen uns schon so lange. Nun erzähl schon!“
Udo seufzte, sagte aber nichts. Ich holte uns beiden noch ein Bier aus der Küche. „Ist es wegen Irene?“
Er schaute mich an und nahm ein Schluck aus der Flasche. „Dann weißt du es also auch schon. Und woher, wenn ich fragen darf?“
Ich erzählte ihm von unserem Treffen am Strand, ersparte ihm aber die Einzelheiten. Wahrscheinlich konnte er sich ohnehin seinen Teil denken.
„Ich kann es einfach nicht fassen, dass Irene mich betrügt. Gerade Irene! Noch nicht einmal an unsere Kinder hat sie dabei gedacht. Also, das hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut, ich bin maßlos enttäuscht.“
„Aber du hast sie doch auch mit dieser Blondine auf der Party betrogen ...“, warf ich ein.
„Das ist etwas vollkommen anderes, Alex. Das weißt du wohl selber ganz genau. Das war nur purer Sex, die Frau war mir völlig egal.“
„Und wie soll es jetzt weitergehen?“
„Ich weiß nicht.“ Udo stand auf, ging zum Fenster, zog die Vorhänge beiseite und blickte hinaus. „Wir können uns auf keinen Fall trennen. Schon der Kinder wegen nicht. Und dann meine gesellschaftliche Stellung hier in der Stadt. Nein, das ist einfach unmöglich!“
Normalerweise redeten Udo und ich nicht über unser Privatleben, aber diesmal hatte ich das Gefühl, als ob er sich aussprechen wollte. „Wie läuft denn eure Ehe überhaupt? Ich meine, du hast ja auf eurer Party erzählt, dass es im Bett nicht mehr so richtig klappt.“
Udo ließ den Vorhang wieder zurück gleiten und begann, im Zimmer hin und her zu gehen, wie ein Arzt, der nach der Diagnose für die Leiden seines Patienten sucht. „Ich weiß auch nicht, woran es liegt. Ich habe dir ja schon von meinem Geburtstrauma erzählt. Aber das ist nicht alles. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Irene ist schön, sie ist intelligent, eine wunderbare Mutter, sie ist einfach perfekt, wie eine griechische Statue. Es ist schwer, eine Statue zu begehren, ich meine leidenschaftlich zu begehren.“
„Mmmh“. Wir schwiegen für eine Weile. Ich konnte mit diesem gefühlsmäßigen Ausbruch von Udo nicht so viel anfangen. Seine Worte über die Statue waren mir ein bisschen zu hoch, dem guten Mike konnte man von solchem Respekt auch nichts ansehen. Ich meine entweder man will mit einer Frau schlafen, oder aber nicht. Wo ist das Problem?
„Ach, das wird schon Udo, mach dir keine Gedanken“, sagte ich und klopfte ihm dabei kameradschaftlich auf die Schulter. „Sie wird schon zu dir zurückkommen, spätestens, wenn sie merkt, dass ihr Tennistrainer ihre kostspielige Garderobe nicht bezahlen kann.“
„Wie Tennistrainer?“ Udo blickte mich ungläubig an.
„Ich dachte, du wüsstest ...“
„Ich weiß nur, dass sie mit so einem gut aussehenden Jüngling durch die Gegend zieht. Das hat mir Frau Meier erzählt.“ Udo knabberte nervös an seinen Fingernägeln, eine Unart, die er sich während seiner Examenszeit angewöhnt
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