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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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Schläger. Er trug eine schneeweiße Tennishose und ein Hemd mit bizarren graphischen Mustern. Er hatte zudem das neueste Schuhmodell mit stufenlos verstellbaren Luftkissen und seitlichen Luftlöchern an den Füßen, die laut Hersteller eine optimale Sprungelastizität garantieren. Mein „Guten Morgen“ erwiderte er mit einem kurzen Kopfnicken in meine Richtung. Ich zog meinen Tennisanzug aus, packte meine Handtücher auf die Bank und öffnete meine Balldose. Ich prüfte die Härte meiner Bälle, indem ich sie einzeln mit dem Schläger auf dem Boden dribbelte. Dann packte ich mir zwei in die Tasche meiner Hose, nahm einen Ball in die Hand und ging aufs Spielfeld. Herr Lumpig stand bereits auf der anderen Seite und betrachtete betont gleichgültig die Sohlen seiner Tennisschuhe, indem er sich wie ein Eiskunstläufer nach hinten drehte und jeweils ein Bein graziös nach hinten wegspreizte.
    Als ich an meinem Platz angekommen war, sagte er: „Na, dann können wir ja endlich“, und schlug mir den ersten Ball um die Ohren. Zunächst spielten wir uns fünf Minuten ein: erst lange Bälle, dann ein paar Volleys und Schmetterbälle, und schließlich jeder noch drei Aufschläge. Dann konnte es losgehen. Ich hatte Aufschlag und brachte mein Spiel durch. Herr Lumpig tat es mir gleich, und nach zwanzig Minuten stand es 1:1. Das Spiel setzte sich in dieser Weise fort, schließlich stand es 5:4 für mich – Aufschlag Herr Lumpig. Sein erster Aufschlag sauste unerreichbar an meinem Ohr vorbei – As, 0:15. Seinen zweiten Aufschlag konnte ich noch returnieren, aber er fing meinen Ball in der Luft ab und schlug ihn cross bis kurz vor die rechte Linie. 0:30. Sein dritter Aufschlag kam etwas drucklos, und ich konnte ihm den Ball mit einem gut platzierten Rückhandslice kurz vor die Füße spielen. Dennoch schaffte er es, den Ball durch eine ruckartige Bewegung nach vorne zu treffen. Ich wiederum nahm die gelbe Filzkugel kurz vor dem Netz aus der Luft und ließ ihn dadurch quasi senkrecht ins gegnerische Feld plumpsen. Eigentlich ein unspielbarer Ball, nicht aber für Lumpig. Er war, kurz nachdem ich den Ball getroffen hatte, mit riesigen Sätzen nach vorne geeilt, als sich nur ein Meter vor dem Netz etwas Seltsames ereignete.
    Ich hörte ein merkwürdiges Zischen, so, als ob jemand die Luft aus einem Gummiboot herauslässt, und dann einen Knall. In diesem Moment stolperte Herr Lumpig und fiel der Länge nach auf den Boden. Ich blieb wie angewurzelt stehen und blickte gebannt aufs gegnerische Feld. Herr Lumpig rappelte sich wieder hoch, blickte erstaunt zu seinen Schuhen hinunter und fluchte leise vor sich hin.
    „Ist Ihnen etwas passiert, kann ich Ihnen helfen?“, rief ich.
    Statt einer Antwort schüttelte er nur den Kopf und humpelte zu seiner Bank.
    Als ich dort ankam, zog er sich gerade seine Tennisschuhe aus, die wie zwei Schwimmflügel aussahen, aus denen jemand die Luft herausgelassen hatte.
    „Diese Mistschuhe“, fluchte er und schmiss die beiden Dinger verächtlich in seine Sporttasche. „Das Luftkissen ist geplatzt! Dabei haben die Schuhe fast vierhundert Euro gekostet. Na, der Hersteller kann was erleben. Den werde ich verklagen, seine Schuhe sind ja lebensgefährlich!“
    Nach diesem Vorfall traf Herr Lumpig keinen Ball mehr. Er lief wie auf Eiern, als hätte er das Gefühl, die Schuhe unter seinen Füßen könnten erneut in sich zusammensinken. Ich gewann 6:4 und 6:2. Als wir uns nach dem Matchball die Hände über dem Netz reichten, ließ es sich Herr Lumpig jedoch nicht nehmen, seine Niederlage auf das Platzen seiner Schuhe zurückzuführen: „Wenn bei mir nicht die Luft raus gegangen wäre, hätten Sie keine Chance gehabt!“.
    Ich ging zu meiner Bank, zog mir meine Tennisjacke über und stopfte die anderen Sachen in meine Sporttasche. In dem Moment, als ich die Tasche mit einem lässigen Schwung über meine Schulter warf, ertönte von Platz fünf, wo Rudi gegen Hartmann antreten musste, ein Jubelgeschrei. Ich beeilte mich, zu dem Platz zu gelangen, um zu sehen, was dort vor sich ging. Ich spähte durch den Zaunspalt und sah Rudi, der auf der anderen Seite des Spielfeldes seine Klamotten zusammenpackte. Er hatte mir den Rücken zugedreht und konnte mich nicht sehen, deshalb rief ich seinen Namen. Als er sich umgedreht hatte, wusste ich Bescheid. Er hatte gesiegt, denn er grinste von einem Ohr zum anderen.
    Ein Gefühl von „Jetzt wird uns alles gelingen“ stieg in mir hoch, und ich ging Rudi entgegen. „Ich

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