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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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angestrichen, und über dem Eingang leuchtete ein Neonschild mit einem riesigen Lippenstift, der alle paar Sekunden an- und ausblinkte. Hätte man auch anders interpretieren können, dachte ich. Zwei Frauen mit Bürstenhaaren und Springerstiefeln gingen gerade eng umschlungen auf den Eingang zu.
    „Von wegen keine Lesbenkneipe“, sagte ich, „was soll das denn sonst hier sein?“
    Rudi fand einen Parkplatz, und wir blieben einen Moment sitzen und beobachteten das „Lipstick“ aus unserem sicheren Versteck. Als die Luft rein war, schlichen wir zu dem großen Fenster, von wo aus man wahrscheinlich in die Kneipe blicken konnte. Es hatte aufgehört zu regnen, nur ein eiskalter Wind pfiff um die Ecken.
    Die untere Hälfte des Fensters war mit einem dunkelblauen Samtvorhang bedeckt, ich stellte mich also auf die Zehenspitzen, um etwas sehen zu können. Rudi hätte wegen seiner Größe ein kleines Podest benötigt. Er stellte sich daher an die Ecke, um Schmiere zu stehen. Der Innenraum sah genau so aus, wie Isabel mir ihn beschrieben hatte. Das „Lipstick“ schien ein echter Geheimtipp zu sein, denn fast alle Tische waren besetzt. Ich sah die unterschiedlichsten Frauen, sportliche Typen bis hin zu zwei älteren Damen mit rosa eingefärbten Haaren. An einem Tisch entdeckte ich sogar zwei Businessfrauen im Nadelstreifenkostüm und weißen, gestärkten Blusen, deren lederne Aktenkoffer neben ihrem Tisch standen. Die beiden waren offensichtlich in ein ganz normales geschäftliches Gespräch vertieft, denn die eine von ihnen notierte sich hin und wieder etwas in ihren Terminkalender. An der Bar saßen einzelne Frauen, die einen Drink vor sich stehen hatten und ihre Blicke schweifen ließen. Dann sah ich Isabel, Susi und Irene. Sie saßen in der hintersten Ecke des Raumes. Die drei hatten ihre Stühle nahe an den Tisch gerückt und steckten ihre Köpfe zusammen. Susi hob gerade ihren Kopf und brach in schallendes Gelächter aus.
    „Kannst du sie sehen?“ Rudi stand vor mir, mit hochgeschlagenem Mantelkragen. Er hüpfte von einem Fuß auf den anderen, um sich aufzuwärmen. Ich beschrieb ihm kurz, was ich beobachtet hatte. Dann kam ein Auto auf den Parkplatz gefahren, und wir gingen schnell zurück zu unserem Käfer. „Ich wüsste ja zu gerne, was die Mädchen so geredet haben“, sagte ich. Rudi startete den Wagen und wischte mit dem Lappen die Scheibe ab, die völlig beschlagen war. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn: „Das würde ich auch gern!“

26. Kapitel
     

     
    Bei Gericht war nicht mehr viel los, denn die meisten Richter hatten sich eine Woche vor Weihnachten frei genommen, und die Justizangestellten steckten ständig in Weihnachtsfeiern. Als ich mein Fach ausleerte, entdeckte ich auf den Fluren keinen Menschen, aber aus fast allen Räumen drang Stimmengewirr und Weihnachtsmusik. Auf dem Weg zurück ins Büro kam ich an dem Schaufenster eines Juweliers vorbei und entdeckte goldene Rubinohrringe, wie geschaffen für Isabel. Der Laden war altmodisch eingerichtet, mit Holzvitrinen und abgetretenen Orientteppichen. Als ich die Tür öffnete, bimmelte ein Glöckchen. Hinter der Verkaufstheke saß der Juwelier, ein alter Mann, der durch eine Lupe mehrere Edelsteine betrachtete, die auf einem schwarzen Samttuch vor ihm lagen. Er hatte ein graues, faltiges Gesicht und schlohweiße Haare. Bekleidet war er mit einer dunkelgrauen Strickjacke, dazu passenden Hosen und einem gemusterten Seidentuch, das er sich um den Hals geschwungen hatte. Als ich näher kam, wickelte er die Steine geschwind ein und steckte sie in ein Fach, das unterhalb des Tresens angebracht war.
    „Womit kann ich dienen?“, fragte er mich und musterte mich von oben bis unten, als wolle er dadurch den potentiellen Inhalt meiner Brieftasche abschätzen.
    „Ich würde mir gerne ein paar Ohrringe anschauen.“
    „Es soll also ein Geschenk für eine Dame sein?“, fragte er leichthin.
    Ich nickte.
    „Soll es für die Frau Gemahlin, oder soll es ...“ Er stockte und betrachtete mich noch einmal eingehend. „Oder soll es etwas Besseres sein?“
    Ich lachte. „Die Ohrringe sind für meine Freundin bestimmt. Sie haben dort im Schaufenster Rubinohrringe liegen.“ Seine Miene erhellte sich.
    „Sie meinen unser Modell Baccarra“? Die werden in der Tat sehr gerne genommen.“
    Er ging nach vorne zum Schaufenster, wobei er sein linkes Bein ganz leicht hinter sich herzog, und brachte die Ohrringe zum Verkaufstresen. Er legte die Schmuckstücke

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