Männer sind Helden
vorsichtig auf eine rote Samtunterlage, als habe er es mit einem rohen Ei zu tun. Die Ohrringe gefielen mir sehr gut, die Rubine waren tropfenförmig und in Gold gefasst. Schlicht und schön. Der Preis war ebenfalls akzeptabel, und ich zog meine Brieftasche aus der Manteltasche, um mit der Visa-Karte zu bezahlen.
Ich freute mich, ein Geschenk für Isabel gefunden zu haben, und ich setzte meinen Weg zum Büro gut gelaunt fort. Frau Rohrbein und Frau Freudenthal standen mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Kopierer und unterhielten sich. Typisch, dachte ich, ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.
„Meine Damen, haben Sie nichts zu tun?“, fragte ich, während ich meinen Mantel in die Garderobe hängte. Frau Rohrbein kam pflichtschuldig auf mich zu, nachdem sie ihre Tasse auf ihrem Schreibtisch abgestellt hatte. „Wir haben alle Arbeiten erledigt, Herr Grühnspahn. Es ist nicht so, wie Sie denken.“ Sie deutete mit dem Kopf auf die leeren Stühle. „Außerdem sind heute keine Mandanten mehr angemeldet.“
„Schon gut, schon gut. Bringen Sie mir bitte die Akte von Herrn Hoffmann.“
Kaum hatte ich mich an meinen Schreibtisch gesetzt, erschien Frau Freudenthal, die Hoffmann-Akte in der Hand. Sie trat zögernd auf mich zu und legte den Hefter auf den Stapel zu den übrigen. Ich bedankte mich, aber sie blieb stehen, als wolle sie mir noch etwas sagen.
„Herr Grühnspahn, ich muss mit Ihnen reden.“
„Ist es beruflich oder privat?“
Sie überlegte einen Moment, dann sagte sie: „Beides.“
Ich bat sie, auf dem Stuhl vor meinem Schreibtisch Platz zu nehmen und blickte sie erwartungsvoll an. Sie sah an diesem Tag besonders hübsch aus, ihr Teint war rosig und ihre Haare glänzten. Das dunkelblaue Kleid passte perfekt zu ihrem blonden Haar.
„Herr Grühnspahn. Ich bin schwanger!“
„Schwanger!“, schrie ich auf, denn ich fiel aus allen Wolken. „Wie, wieso“, stotterte ich. „Ich meine, wie konnte das passieren?“
Frau Freudenthal wirkte für Bruchteile von Sekunden erschrocken, hatte sich aber sofort wieder gefangen. Sie beugte sich zu mir nach vorne: „Aber Herr Grühnspahn, das brauche ich Ihnen doch wohl nicht mehr zu erklären.“
„Aber Sie sind doch gar nicht verheiratet. Ich meine, wer ist überhaupt der Vater?“
Sie holte tief Luft, als müsse sie alle ihre Kräfte zusammennehmen, um nicht zu explodieren. „Das ist doch wohl meine Privatsache, oder?“
„Im wievielten Monat sind Sie überhaupt?“
„Im Dritten“, erwiderte sie und richtete sich selbst bewusst im Stuhl auf.
„Schon im dritten Monat“, sagte ich entsetzt, „aber man sieht ja noch gar nichts.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Erst ab den vierten Monat wird etwas zu sehen sein.“
„Und was wird aus Ihrer Ausbildung?“
„Ich arbeite natürlich weiter, bis der Mutterschutz beginnt. Und wenn das Kind geboren ist, werde ich entscheiden, wie lange ich Erziehungsurlaub nehmen werde.“
Sie sprach vollkommen ruhig und gelassen, als könne nichts auf der Welt sie antasten. Das Östrogen wirkte offensichtlich wie ein Schutzschild gegen meine Angriffe. Ich gab es auf, mich weiter mit ihr zu unterhalten. „Sie können gehen“, sagte ich, „wir reden ein anderes Mal darüber!“
„Wie Sie meinen, Herr Doktor.“ In der Tür blieb sie noch einmal stehen: „Übrigens darf ich keine schweren Akten tragen oder sonstige Arbeiten erledigen, die meine Gesundheit oder die meines Kindes gefährden könnten. Aber darüber muss ich Sie als Jurist ja nicht aufklären.“
Als sie draußen war, überlegte ich, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gab, Frau Freudenthal loszuwerden. Das Gesetz war auf ihrer Seite: Der Arbeitgeber darf einer schwangeren Frau nicht kündigen. Nach der Geburt des Kindes haben Frauen Anspruch auf den Mutterschafts- und Erziehungsurlaub. Wenn sie drei Jahre Erziehungsurlaub nimmt, muss der Arbeitgeber ihren Job für diese Zeit freihalten. Was das alles kostet!
Dann fiel mir aber ein, dass Frau Freudenthal einen befristeten Ausbildungsvertrag mit mir abgeschlossen hatte. Dieser Vertrag endet mit Ablauf der Zeit, also in zweieinhalb Jahren, unabhängig von den Ausfallzeiten, die durch die Schwangerschaft entstehen. Das war immerhin ein schwacher Trost.
Am Abend erzählte ich Isabel von Frau Freudenthals Schwangerschaft.
„Das wird mich ein Heidengeld kosten. Da kommen locker ein paar tausend Euro zusammen. Das nächste Mal stelle ich wieder einen Rechtsanwaltsgehilfen
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