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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Bräutigam gegeben hatten. In Wirklichkeit hieß er nur Ralf. Ralf Kühl von Bestattungen Kühl und Söhne, dem renommiertesten Beerdigungsunternehmen der Stadt. Die Kühls hatten eine Leichenhalle praktischerweise gleich im Keller ihres Einfamilienhauses, und wenn Ralfs Wagen mal zur Reparatur musste, konnte er mit einem der glänzend schwarzen Kombis zur Arbeit fahren. Der Ralf war das, was Mütter von Töchtern eine wirklich gute Partie nannten. Simone konnte sich glücklich schätzen.
    »Also, wenn du auf Pietäten-Ralf neidisch bist, dann geht's dir tatsächlich schlechter, als ich dachte«, bemerkte Zarah und lachte.
    Meine Lippen begannen wieder, weinerlich zu zittern. Es ging mir tatsächlich viel schlechter, als sie dachte.
    Als Zarah gehen wollte, stieß sie in der Tür mit meinem Bruder zusammen.
    »Hallo, Leander«, sagte Mo. »Wolltest du unserem Trauerkloß einen Besuch abstatten?«
    Zarah lachte wieder. »Dabei hätte sie allen Grund zur Freude«, meinte sie.
    »Ist es nicht fürchterlich anzusehen, wie sehr sie diesem Analphabeten nachtrauert?«, fragte Mo.
    Zarah lachte noch mehr.
    Ich fand alle beide unerträglich und verbot ihnen, Holger und alles, was mit ihm zu tun hatte, jemals wieder in meiner Gegenwart zu erwähnen.
    »Das ist der erste Schritt zur Besserung«, meinte Zarah anerkennend. »Bis Donnerstag zum Babysitten!«
    »Tschö«, sagte ich mürrisch und sah meinen Bruder mitleidheischend an.
    »Ich werde mein Auto verkaufen«, teilte er mir mit.
    »Das interessiert mich einen Scheißdreck«, sagte ich.
    »Das sollte es aber nicht, denn ich habe unsere oder vielmehr deine Telefonnummer angegeben«, erklärte Mo. »Steffen hat nämlich sein Auto auch inseriert, und wir kommen sonst mit den Anrufern durcheinander.«
    »Und was hat das mit mir zu tun?«
    »Nichts«, meinte Mo und wandte sich zum Gehen. »Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt, dass ich am Samstag dein Telefon brauche.«
    »Von mir aus«, sagte ich. »Aber Holger ist kein Analphabet.«
    »Du meinst wohl den, dessen Name nicht mehr genannt werden darf«, verbesserte Mo und lachte wieder.
    Es war ein furchtbar trauriger Tag, und ich brauchte dringend Trost. Deshalb lief ich zum Kiosk und verlangte zehn Eis am Stiel.
    »Sie gehören zum Kindergarten von gegenüber, stimmt's?« mutmaßte der freundliche Kioskmann.
    Ich sagte, nein, die äße ich alle selber, worüber er herzlich lachte. Wenn er gesehen hätte, wie schnell ich von seinem Eis nichts als die Tüten übriggelassen hatte, er hätte sicher noch seinen Kindern und Kindeskindern davon erzählt.
    Nachdem das letzte Eis verschlungen war und mir mein Magen wie eine pralle Kühltasche vorkam, fühlte ich mich noch schlechter. Deprimiert setzte ich mich auf die Ladentheke und glotzte vor mich hin.
    Als Rebecca und Kaspar zurückkamen, brachten sie mir ein Eishörnchen vom Italiener mit.
    »Wir dachten, dass du etwas Aufmunterung gebrauchen könntest.« Kaspar lächelte und hielt mir die Waffel hin. »Karamel, Walnuss und Stracciatella. So ein Eis wirkt manchmal Wunder.«
    Wem sagte er das!
    Ich entrang mir mühsam ein »Dankeschön« und schob tapfer noch das elfte Eis hinterher. Und es bewirkte tatsächlich Wunder, nämlich, dass mir mit seinem Verzehr für mehrere Tage der Appetit auf Gefrorenes verging.
    »Liebeskummer ist scheußlich«, meinte Kaspar mitfühlend, als ich mich völlig übersättigt von der Ladentheke plumpsen ließ. »Man kriegt keinen Bissen mehr runter und fühlt sich hundeelend.«
    »Was kann man dagegen tun?«, fragte ich und unterdrückte einen Rülpser.
    »Wenn ich Liebeskummer habe, dann übe ich«, erklärte Kaspar.
    »Und ich zeichne und nähe«, sagte Rebecca. »Aber es ist schon lange her, dass ich Liebeskummer hatte«, setzte sie hinzu, und sie und Kaspar lächelten sich glücklich an.
    »Ihr habt's gut«, seufzte ich.
    Rebecca hatte schon als Kind Schneiderin werden wollen und nach der Schule genau gewusst, was dann geschehen sollte: Schneiderlehre, Modeschule und danach ihren eigenen Laden. Rebecca war talentiert und zielstrebig, und so war es ja auch nur gerecht, dass sie am Ende bekam, was sie sich gewünscht hatte.
    Bei Kaspar stellte ich es mir ähnlich vor. Kaum, dass er aufrecht auf einem Stuhl hatte sitzen können, hatte er nichts anderes gewollt und getan, als wunderbar auf dem Cello zu spielen. Und heute verdiente er damit Geld und Ruhm.
    Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass alle in meiner Umgebung irgendeine Karriere verfolgten,

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