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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ist der seriöse Herr im Nadelstreifenanzug?«
    »Das wird Peter sein«, sagte Bille. »Der wohnt über mir.«
    »Gar nicht so übel«, urteilte ich, »aber wer ist die Frau in dem schicken Kostüm hinter ihm?«
    »Das ist seine Frau, vermutlich«, sagte Bille gleichmütig.
    »Was? Der ist verheiratet? Ich dachte, hier wohnen lauter coole Singles.«
    »Das habe ich nie gesagt«, betonte Bille wieder. Hatte sie wohl.
    »O Gott, was ist denn das für ein verhuschtes Männlein, das sich da die Treppe hochquält?«, entfuhr es mir, als ich beim nächsten Mal am Spion klebte.
    »Keine Ahnung«, behauptete Bille, aber nachdem ich ihr Auge an das Guckloch gedrückt hatte, musste sie zugeben, dass es sich um den wirklich tollen Typen aus der Dachwohnung handelte.
    Ich hatte das unbestimmte Gefühl, betrogen worden zu sein, und Bille musste sich den ganzen Nachmittag über meine vielsagenden Bemerkungen ärgern. Aber am Abend konnte sie den Spieß doch noch einmal umdrehen. Auf dem Weg zur Bahn kam uns ein Mann entgegen, der sofort stehenblieb, als er Bille sah.
    »Das ist Burghart!«, sagte sie mit triumphgeschwängerter Stimme.
    Und wirklich, außer dem Namen war auf Anhieb kein Makel an ihm zu entdecken. Er hatte ein bezauberndes Grübchenlächeln, schöne weiße Zähne und strahlendblaue Augen.
    Ich lächelte begeistert.
    »Ich wohne in der Wohnung unter Sybille«, sagte er und sah mir tief in die Augen. »Burghart Schmidt.«
    »Judith Raabe«, sagte ich und lächelte noch enthusiastischer.
    »Wie schön«, sagte Burghart.
    »Das finde ich auch«, sagte ich und meinte seine Augen.
    Bille legte besitzergreifend ihre Hand auf seinen Arm und fragte ihn, was er jetzt noch vorhabe.
    »Ich wollte mir gerade einen Hackfleischauflauf zusammenbrutzeln«, meinte Burghart. »Wie wär's, wenn wir das zusammen machen würden?«
    Nichts lieber als das, ehrlich. Aber leider war ich mit Holger vor dem Kino verabredet. Also setzte ich mich bedauernd in die Bahn und überließ wohl oder übel Bille das Feld mit dem reizenden Burghart samt Hackfleischauflauf.
    Es lief kein vernünftiger Film, den ich noch nicht gesehen hatte. Deshalb schlug ich vor, nochmals die »Blues Brothers« anzusehen. Holger wollte aber lieber einen spannenden Film in einem Kino sehen, in dem er seine Beine ausstrecken konnte.
    Also gingen wir in einen dieser sogenannten Erotikthriller, in denen ein Polizist eine schöne, reiche, blonde Frau verdächtigt, eine Männermörderin zu sein, sich aber gleichzeitig von ihr sexuell so angezogen fühlt, dass er das Risiko, selber in seinem Blut zu liegen, nur zu gern und immer wieder eingeht.
    In diesem speziellen Fall mordete die Blondine mit einem Eispickel unmittelbar nach dem Geschlechtsakt. Um möglichst viele Menschen in die Kinos zu locken, hatte man - nicht zum ersten Mal - vorher das Gerücht in die Welt gestreut, die Sexszenen - hoho! - seien nicht nur geschauspielert.
    Aber das machte den Film auch nicht aufregender. Mir jedenfalls reichte es nicht, um zwei Stunden lang atemlos im Kinosessel auszuharren, obwohl die Blonde zugegebenermaßen ihr Bestes gab, sich ständig aus- und anzog und ab und zu eine weitere, wirklich unappetitliche Leiche auftauchte.
    Ein finsteres Kapitel Filmgeschichte nahm seinen Lauf. Die Darsteller und der Eispickel - anschließend - zuckten rhythmisch, das Blut spritzte in Fontänen, die Kamera vollführte wilde Zoom-Fahrten, und die Musik schwoll bedrohlich an und ab. Es hämmerte, schrie und stöhnte ununterbrochen aus den Lautsprechern auf einen ein, sodass es noch nicht mal möglich war, im Schlaf Vergessen zu finden.
    So blieb mir nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass wenigstens der hässliche, unsympathische und völlig unerotische Hauptdarsteller endlich dem Eispickel oder wem auch immer zum Opfer fallen würde. Natürlich geschah nichts dergleichen, obwohl dem Zuschauer am Ende die Hoffnung mit nach Hause gegeben wurde, dass es früher oder später doch noch dazu kommen könnte. Vielleicht in »Eiskalte Pickel, Teil II«.
    »Klasse«, sagte Holger nach dem Film zufrieden. Ich gähnte.
    »Also, mir hat er gut gefallen«, betonte Holger. Ich gähnte noch einmal.
    »Mit dir kann man wirklich nicht normal kommunizieren«, beschwerte er sich ärgerlich. »Was hat dir denn nicht gefallen?«
    »Die Darsteller, die Story, der Soundtrack, die Bettszenen«, leierte ich.
    »Was hat dir an den Bettszenen nicht gepasst?«
    »Er hatte Cellulite auf dem Rücken«, sagte ich.
    Holger seufzte.

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