Maenner und andere Katastrophen - Roman
ein.
»Mein Gott, was werden Mama und Papa dazu sagen?«
»Das ist es ja gerade«, sagte Rebecca. »Die wussten gar nicht, worüber ich mich so aufgeregt habe! Ich hab' ungefähr fünfhundert Mark auf die Kanaren vertelefoniert, um zu erfahren, dass die Kiebig der Mama schon vor vier Monaten schriftlich gekündigt hat. Sie ist völlig legal ausgezogen. Sogar die Endabnahme haben die Eltern ihr sozusagen auf Ehrenwort von Gran Canaria abgenommen.«
»Das glaub ich nicht«, sagte ich perplex. »Die alte Hexe hat das alles genau geplant und uns keinen Ton davon gesagt?«
»Mama dachte natürlich, dass wir darüber Bescheid wissen«, nickte Rebecca. »Und dass wir uns längst um einen Nachmieter bemüht haben.«
»Das ist wieder mal typisch«, empörte ich mich. »Wo ist sie denn hin, die Alte?«
»Weiß der Geier! Ja, aber freust du dich denn gar nicht?«, rief Rebecca. »Jetzt können wir endlich die Wohnung an jemanden Netten vermieten.«
Sie kicherte ausgelassen. Nie mehr Gemeckere und Brathundegekläffe, doch, das freute mich auch.
»Auf diese Weise werden wir auch endlich einen Mann für dich finden«, plapperte Rebecca aufgeregt, »einen lieben, vernünftigen, handwerklich begabten Mann.«
Das war wieder mal typisch. Für sich die aufregenden, reichen und gutaussehenden, für mich die lieben, vernünftigen und handwerklich begabten!
»Die Männer, die mir gefallen würden, haben schon eine Wohnung, Villa mit Rheinblick oder Maisonette mit Dachterrasse«, behauptete ich hochnäsig.
»So ein Blödsinn«, widersprach Rebecca, »die Männer, die dir gefallen, können in der Regel nicht mal Maisonette buchstabieren. Wir werden gleich heute eine Anzeige aufsetzen.«
»Lass uns die Wohnung mal anschauen«, schlug ich vor, bevor sie wieder in hysterisches Freudengekicher ausbrechen konnte.
Auf der Treppe begegnete uns der Onkel. Er hatte eine Flasche Sekt im Arm und wollte mit uns auf den glücklichen Tag anstoßen. Wir nahmen unsere Gläser mit in die Kiebigwohnung.
Es war ein feierlicher Augenblick, als wir uns das erste Mal im Leben über die Schwelle wagten, die der Brathund bis dahin frenetisch bellend verteidigt hatte.
In der Luft hing eine Geruchsmischung von Hund, Möbelpolitur und Altfrauenparfüm. Die Tapetenmuster ließen darauf schließen, dass die letzte Renovierung in den Siebzigern stattgefunden hatte, gigantische, weiße Narzissen auf grünem Grund im Flur, konzentrische Kreise in Brauntönen im Wohnzimmer und büschelweise gelbe Rosen im Schlafzimmer.
Der Teppichboden wies Hunderte und Aberhunderte mit Linien durchzogener Kreise in wunderbarer Farbenvielfalt auf. Je länger man den staunenden Blick auf dem Boden verweilen ließ, desto deutlicher wurde die Vielseitigkeit der Muster. Man konnte tannengrüne Kreise und Dreiecke in Moos- und Grasgrün, kleine Rauten in Post- und Zitronengelb mit nach innen gebogenen Linien und symmetrische Hakenkreuze in Kastanienbraun erkennen, je nachdem, auf welche Farbschattierung man sich stärker konzentrierte. Wirklich genial. Der Mann, der das Muster entworfen hatte, saß heute sicher in einer geschlossenen Anstalt.
Im Badezimmer waren, wie in allen Etagen, immer noch die blassblauen Kacheln zu bewundern, die meinen Großeltern - Gott hab sie selig - damals als der letzte Schrei angepriesen worden waren. Aber die Kiebig hatte jede Einzelne von ihnen mit selbstklebenden Blumen von Hunderten und Aberhunderten von Prielflaschen verschönt.
»Hier müsste mal wieder tapeziert werden«, sagte der Onkel. Er hatte recht. Der Nachmieter würde eine Menge Arbeit investieren müssen, bis die Wohnung ihm keine Schauder mehr über den Rücken jagen würde.
»Kein Wunder, dass die arme Frau immer so aggressiv war«, meinte Rebecca. »Mehr als sechshundert Mark wage ich hierfür nicht zu nehmen.«
»Für sechshundert Mark kannst du in dieser Gegend nicht mal einen Keller mieten«, widersprach der Onkel.
Ich stimmte ihm zu.
»Nach einer Renovierung wäre die Wohnung locker ihre dreizehnhundert kalt wert«, sagte ich versonnen.
»Niemals«, behauptete Rebecca fest.
Wir schimpften sie ein selten blödes Schaf.
Rebecca schimpfte uns geldgierige Mietwucherer.
Schließlich einigten wir uns darauf, Mama und Papa zu fragen, wie viel Miete wir nehmen sollten.
Auf der Fensterbank im Wohnzimmer entdeckte der Onkel einen einsamen Blumentopf mit einer dieser dickblättrigen Pflanzen, die nicht totzukriegen sind. Man bekommt sie als winzige Mitbringsel geschenkt, in
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