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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sind?«
    »Waren das nicht die Dinger, mit denen man sich nach dem Essen den Mund abtupft?«, fragte ich und lief zurück, um ein Exemplar Fremdwörter aus meinem Büro zu holen.
    Wir unterhielten uns eine Weile auf gehobenere Art und Weise.
    »Ich bin doch etwas zu apprehensiv, um die Sojafrikadellen in der Kantine heute einer Degustation zu unterziehen, oder was meinst du?«, fragte Stefanie.
    »Durchaus verständlich, denn diese Futilität könnte eventuell Enterozoene hervorrufen und ein viszerales Unwohlsein verursachen«, stimmte ich ihr zu.
    »Wenn man hingegen diesbezüglich weiter auf Immutabilität beharrt, die Dehors wahrt und nie eine Novotät probiert, kann man auch keine Mirabilien der Gaumengenüsse erwarten«, gab Stefanie zu bedenken.
    Als wir so richtig schön in Schwung gekommen waren, kam Herr Schimmel-Kotzbrocken an unserer Tür vorbei. Mit seinem üblichen mitleidigen Augenaufschlag lenkte er seine Schritte zu uns hinein und schüttelte uns ausgiebig die Hände.
    »Gesegnete Mahlzeit und einen wunderschönen, ganz besonderen Arbeitstag wünsche ich den Damen«, sabberte er mit sanfter Stimme und ohne Stefanies Hand wieder loszulassen. »Kommen Sie auch zurecht? Ich sage immer, dass die armen Sekretärinnen in diesem Hause zwar den anspruchlosesten, aber mit Abstand härtesten Job haben.«
    Stefanie und ich blätterten fieberhaft in unseren Fremdwörtern herum. Sollte jetzt der übliche Schmus mit der Bildungskluft kommen, wollten wir für eine Antwort wohl präpariert sein.
    »Ich finde es nicht gerecht«, fuhr Herr Schimmel-Kotzbrocken fort, »unsereins hat zwar studiert und verfügt natürlich dadurch über ein fundiertes Fachwissen, aber nicht nur der höhere Bildungsstand, sondern auch Art und Dauer der Tätigkeit sollten die Höhe des Gehaltes bestimmen.«
    Das war das Stichwort.
    »Derartige Äußerungen über Dehiszensen zwischen besser und schlechter bezahlten Angestellten pflegen einen geradezu reluktantischen Widerspruch in mir als Vertreter der letztgenannten Gruppe hervorzurufen«, entgegnete Stefanie kämpferisch, »denn tatsächlich ist eine Differenz im Bildungsstand an dieser Stelle als immensurabel und imperzeptibel zu bezeichnen, weil es sich hier eindeutig um eine Exiquität handelt, die es erlaubt, dem, der sie negiert, Ignoranz, ja sogar intellektuelle Imputabilität zu unterstellen.«
    »Eh, meinen Sie?«, sagte Schimmel-Kotzbrocken lahm und ließ ihre Hand kraftlos aus seiner gleiten.
    Ich bekämpfte mit Mühe das triumphierende Gelächter, das in mir hochstieg, blätterte eifrig in meinen Fremdwörtern herum und wartete darauf, Herrn Schimmel-Kotzbrocken den Todesstoß zu versetzen.
    »Leider ja«, bestätigte Stefanie, »obwohl ich nicht so weit gehen würde, Sie als Thymopathen zu titulieren, nur weil Sie sich nicht von Ihren vexierten Vor- und Fehlurteilen eximieren können.«
    Herr Schimmel-Kotzbrocken schluckte schwer.
    »Wenn ich an dieser Stelle interponieren darf«, mischte ich mich nach gründlicher Vorbereitung ein, »mir scheint eine Diskussion über derartige Exiguitäten solchermaßen fastidios, dass ich, obwohl auch ich Ihre Bemerkung eben - mit Verlaub - eindeutig als kata-chretisch pertizipiert habe, sicher mit Akampsie oder gar extrasystolischen Symptomen reagieren werde, sollte dieser akarpische Sermon weiter eternisiert werden.«
    »Eh, da stimme ich Ihnen zu«, stammelte Herr Schimmel-Kotzbrocken, »aber leider muss ich jetzt weiter. Mahlzeit dann auch.«
    »Sie brauchen dies keineswegs als Opprabation zu vindizieren«, rief Stefanie ihm nach, aber der Ärmste drehte sich nicht mehr um.
    Er stolperte so verunsichert von dannen, dass wir in maniakilisches Gelächter ausbrachen und jeder, der vorbeikam, uns für thymopathisch und von unmittelbarer Perdition bedroht halten musste. Herr Schimmel-Kotzbrocken würde jedenfalls so schnell nicht mehr mit seiner Bildung hausieren gehen, so viel war mal klar.
    Bis Feierabend ließ ich meinem Magen Zeit, das Obst zu verdauen, und weil Arbeit bekanntlich das beste Mittel gegen Hungergefühle darstellt, gönnte ich mir zu Hause nur eine enzymreiche, halbe Babyananas und schaute mich nach mehr Arbeit um.
    Es war Zeit, meinen Marionettenköpfen endlich Körper zu verschaffen. Ich hatte in den letzten Wochen vier wunderbare Köpfe und vier Paar Hände und Füße modelliert. Neben Räuber Hotzenplotz eine liebreizende, wenn auch noch völlig kahlköpfige Prinzessin Rapunzel, einen zerfurchten Sterndeuter und eine

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