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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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senkrecht nach oben, knickte die Hüfte ab und stand still.
    Ich klatschte in die Hände und rief aus: »Toll! Wo hast du das nur gelernt?«
    Bille holte tief Luft, aber Burghart erklärte bereitwillig: »Die meisten meiner Schrittkombinationen sind Eigenschöpfungen.«
    Was er nicht sagte.
    »In der Tanzschule haben die immer gesagt, sie hätten noch nie jemanden gesehen, der so schnell lernt«, erzählte Burghart, »Burghart, haben die immer gesagt, du wärst in wenigen Wochen turnierreif.«
    Ich warf Bille triumphierende Blicke zu. Jetzt hörte sie ja wohl, was ich meinte.
    »Ich versteh gar nicht, warum Sabine noch nicht angerufen hat«, sagte Bille ablenkend.
    Sabine war eine gemeinsame Schulfreundin und ausnahmsweise eine real existierende Person, und so zitierte ich: »Was für ein aufgewecktes, bildhübsches, junges Dingelchen!«
    »Was redest du da?«, fragte Bille. »Sabine ist so ungefähr das hässlichste Mädchen, das ich kenne.«
    Weil Burghart unbeirrt weiter hüftkreisend seine Runden im Wohnzimmer drehte, nutzte ich die Gelegenheit, neigte mich näher zu Bille und redete eindringlich auf sie ein. Aber sie fand nicht, dass Männer, die ihre Exfreundin als bildhübsches, aufgewecktes Dingelchen bezeichnen, in eine besondere Hölle gehörten.
    »Bildhübsches, aufgewecktes, junges Dingelchen«, raunte ich trotzdem gehässig ungefähr fünfmal nahe an Billes Ohr. »Ist das nicht unglaublich?«
    »Was ist denn daran schlimm?«, fragte Bille genervt und rückte von mir ab.
    Sie blieb den ganzen Abend stur, lachte über Burgharts Witzchen, nickte bewundernd zu seinen wohl unvermeidlichen
    »Davon-verstehe-ich-auch-was«-Sätzen und klimperte aufreizend mit ihren Wimpern.
    Ich langweilte mich zu Tode und las in einer alten Modezeitschrift. Nach einer guten Stunde fiel den beiden auf, dass ich mich nicht an ihrer Unterhaltung beteiligte.
    »Was schaust du denn da an?«, fragte Burghart und guckte mir über die Schulter. »Ah, Haute Couture.«
    Bille zeigte auf ein Kleid von Dolce & Gabbana und sagte, dass sie das gern besäße.
    »Warum nähst du es dir nicht einfach?«, fragte Burghart.
    »Haha«, höhnte ich.
    »Also, ich würde es mir nähen«, sagte Burghart.
    »Ja, lieber Burghart«, knurrte ich ungehalten, »es hätte mich auch gewundert, wenn du bei all deinen Begabungen nicht auch noch wunderbar schneidern könntest.«
    »Ich verstehe«, sagte Burghart und schaute so beleidigt drein, als verstünde er wirklich.
    Es war höchste Zeit zu gehen.
    »Das war wirklich mal eine nette Party«, sagte ich schlechtgelaunt, als ich mich von Bille verabschiedete. »Viel Spaß noch.«
    »Den haben wir bestimmt«, sagte Bille ungerührt und lächelte verheißungsvoll über ihre Schulter.
    Ich fand, dass ihr nicht zu helfen war, und ließ sie beinahe mitleidlos mit ihrem Schicksal allein, um meinen Burghart-Erfahrungsschatz wieder mit nach Hause zu schleppen.

Freitag
    Als ich Bille am späten Nachmittag zum Joggen abholte, war ich immer noch leicht verschnupft.
    »Hast du was?«, fragte Bille, als wir sehr zur Freude der Spaziergänger an der Rheinpromenade mit unseren üblichen professionellen Aufwärmübungen begannen.
    »Sollte ich?«, fragte ich beleidigt zurück.
    Bille antwortete nicht, sondern setzte sich wortlos in Trab. Das war wieder mal typisch. Ich trabte wortlos neben ihr her, fest entschlossen, das Schweigen nicht als Erste zu brechen. Bille blieb aber aufreizend stumm. Missgestimmt biss ich mir auf die Lippen und beschloss, erst dann mit dem Laufen aufzuhören, wenn Bille ein versöhnendes Wort an mich richtete. Und wenn ich bis nach Australien laufen musste.
    Möglich, dass Bille gleiche Gedanken hegte. Jedenfalls liefen und liefen wir, passierten all unsere »Bis-hier-hin-und-nicht-weiter«-Marken sämtlicher Jedes-Jahr-aufs-Neue-Laufversuche und drangen schließlich in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte.
    Schon seit einigen Kilometern bildete ich mir ein, Blut zu schmecken, und in meinen Ohren hatte ein hoher, drohender Summton eingesetzt, der nur noch von einem rhythmischen Rauschen übertönt wurde. Meine Beine schienen sich von ganz allein zu bewegen, denn ich war nicht mehr in der Lage, sie als zu mir gehörig zu definieren. Obwohl ich voller Staunen registrierte, zu welchen Leistungen allein der menschliche Wille den Körper antreiben kann, beschloss ich irgendwann kurz vor Leverkusen, demütig zu kapitulieren.
    »Willst du bis an die Nordsee laufen?«, fragte ich

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