Maenner und andere Katastrophen - Roman
sagte sie und fing erleichtert an zu lachen.
Nach der Mittagspause kam die fürchterliche Mehlig auf der Suche nach Gesprächsstoff an meinem Büro vorbei.
»Meine Güte, Frau Dings, wie sieht es denn bei Ihnen aus?«, sagte sie in ihrer üblichen Lautstärke.
Bei mir sah es prima aus. Nirgendwo lag Arbeit herum, es war tiptop aufgeräumt und wunderbar sauber. Ich wünschte, bei mir zu Hause wäre es annähernd so perfekt gewesen.
»Wenn die arme Frau Meister ihr heruntergewirtschaftetes Büro jetzt sehen könnte, dann wollte die überhaupt nicht mehr wiederkommen«, behauptete die Mehlig.
Das war ja wohl eine Frechheit! Da hatte ich das verlottertste Zimmer in der Weltgeschichte der Administration übernommen, System in zweihunderteinundsiebzig orientierungslose Ordner und meterhohe Berge von Ablage gebracht, drei Pflanzen vor dem sicheren Tod gerettet, kurz, aus dem trostlosen Chaos eine wohlorganisierte Ordnung geschaffen, und musste mir nun von dieser mehligen Person anhören, das Büro heruntergewirtschaftet zu haben. Außerdem war Frau Meister schon auf halbem Weg nach Leipzig, und das hatte sicher nichts mit mir zu tun.
Aber wie so oft fiel mir die passende Entgegnung erst Minuten später ein, und die doofe Mehlig war längst weitergezogen, während ich noch Luft schnappend nach den richtigen Worten suchte.
Stefanie teilte meine Empörung und schlug vor, bei der Mehlig zur Strafe meine Schwester-Annaklara-Nummer abzuziehen.
Das war eine gute Idee.
Als die Mehlig wieder in ihrem Büro saß, machten wir die Flurtür zu, damit sie ihr eigenes Geschrei nicht durchs Telefon hören konnte. Ich legte eines von den Programmheftchen mit den Kursen, für die die Mehlig verantwortlich war, neben das Telefon und wählte ihre Nummer.
»Mehlig.«
»Hier ist Schwester Annaklara vom Kloster St. Kunibert«, krächzte ich mit Greisenstimme.
»Guten Tag, Schwester.«
»Ich hätte gern Frau Mehlig gesprochen.«
»Da sind Sie bei mir richtig.«
»Guten.Tag. Ich bin Schwester Annaklara aus dem Kloster St. Kunibert.«
»Guten Tag, Schwester. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gern Frau Mehlig gesprochen.«
»Ich bin Frau Mehlig.«
»Wann kommt Frau Mehlig denn zurück?«, fragte ich zittrig.
»Ich bin Frau Mehlig!«
Das kam bei uns gleich doppelt an. Einmal durchs Telefon und einmal durch die Wand. Stefanie stieß einen unterdrückten Schrei aus und stopfte sich meinen Einkaufsbeutel in den Mund.
»Ja, guten Tag, hier ist Schwester Annaklara aus dem Kloster St. Kunibert.« Meine Stimme wurde immer tatteriger.
»Schwester, weswegen rufen Sie denn an?«
Obwohl ich das Spiel noch Stunden hätte fortsetzen können, versuchte ich etwas Neues.
»Ich rufe an wegen des Tanzkursus, Nummer 135782, in Ihrem Heftchen.«
»Möchten Sie jemanden anmelden?«
»Mich möchte ich anmelden, junge Frau!«, krächzte ich.
»Für den Bauchtanzkurs?« Frau Mehligs Stimme klang endlich weniger forsch.
»Ja, ja, ist noch ein Platz frei?«
»Ja, schon. Sie müssten einfach nur die Anmeldung ausfüllen und uns zusenden, Schwester«, erklärte die Mehlig. »Aber der Anfängerkurs ist schon belegt, sehe ich gerade.«
»Junge Frau, ich bin keinen Tag jünger als neunzig, da ist man kein Anfänger mehr, da braucht man nicht noch mal von vorn anzufangen«, krächzte ich vorwurfsvoll.
Stefanie konnte sich kaum noch halten vor Lachen. Mir aber war das Lachen fast vergangen, weil ich gemerkt hatte, dass es viel zu spät war, um der Mehlig noch meine wahre Identität zu offenbaren. Ich zweifelte sehr daran, dass sie es mit Humor nehmen würde. Außerdem hatte ich beinahe ein schlechtes Gewissen, weil sie zu Schwester Annaklara vom Kloster St. Kunibert um ein Vielfaches netter war als zu uns.
»Wie kommen Sie denn vom Kloster hierher?«, fragte sie freundlich. »Wir haben einen Fahrdienst, den Sie vielleicht in Anspruch nehmen könnten.«
»Nein, nein, danke, ich fahre selber. Mein kleiner roter Flitzer schafft locker hundertsechzig Stundenkilometer. Mit dem bin ich in einer halben Stunde da«, erklärte ich draufgängerisch.
Stefanie gab derart röchelnde Laute von sich, dass ich mich gezwungen sah, den Hörer aufzulegen und ihr den Einkaufsbeutel aus dem Mund zu nehmen, ohne die Antwort der Mehlig abzuwarten.
Als Stefanie endlich aufgehört hatte zu lachen, ließ ich sie feierlich schwören, niemals einer Menschenseele davon zu erzählen, dass ich Schwester Annaklara war. Sie schwor es beim Heiligen Kunibert.
Die gute
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