Maenner und andere Katastrophen - Roman
kommunizieren. Schweigend fuhren wir bis vor die Haustür.
»Vielen Dank für den netten Abend«, sagte ich und wollte aussteigen.
»Warte«, sagte Kai-Uwe, und seine Gesangsstunden machten sich wieder bemerkbar. »Ich kann dich jetzt nicht gehen lassen.«
Er nahm meine beiden Hände in seine und sah mir ernst in die Augen.
»Ich habe solche Sehnsucht nach deinen warrrrmen Lippen«, sagte er.
Oder hatte er es gesungen?
Ich rutschte unruhig auf dem Sitz herum. »Kai-Uwe, ich bin einfach nur müde.«
»Ich liebe dich mehrrrrr, als ein Mann eine Frrrrrrau lieben kann, das musst du mirrrr glauben«, rollte Kai-Uwe mit unangemessenem Pathos, »und ich möchte, dass du weißt, dass du immer meine ganz grrrrrroße Leidenschaft bleiben wirrrrst.«
Das war schön zu wissen, aber ehe er sich in einen Werwolf verrrrrrwandeln und seinen Worten mit einem seiner gründlichen, kosmetikakillenden Küsse Nachdruck verleihen konnte, zog ich es vor, die Wagentür zu öffnen und auszusteigen.
»Sehen wir uns am Samstag?«, fragte das Werwölfchen hinter mir her.
Ich tat, als hätte ich nichts gehört.
In meiner Wohnung ließ ich Abendtäschchen und spanische Stiefel fallen, setzte mich an meinen Knettisch in der Blaubartkammer und begann fieberhaft, Modelliermasse um einen Alufolienknubbel zu packen.
In Windeseile entstand unter meinen Händen ein getreues Abbild von Sommerloch aus Breibach. Mit einem dicken Klumpen Masse setzte ich ihm anschließend eine gigantische Nase auf, die aussah, wie mehrfach gebrochen. Dadurch ähnelte er ein bisschen dem Zwerg Nase in meinem Lieblingsmärchenbuch.
»Zwerg Sommerloch«, sagte ich zufrieden und legte den Kopf zum Trocknen auf die Fensterbank.
In der Nacht träumte ich von silbernen Gabeln und funkelnden Blutstropfen. Es war ein schöner Traum.
Freitag
Morgens rief mich Oliver, der Kleptomane, im Büro an. Ich hatte gerade angefangen, ihn zu vergessen.
»Woher hast du diese Nummer?«, fragte ich und warf einen Seitenblick auf die Marode.
Sie stand vor dem Spiegel, der an der Innenseite des Spindes angebracht war, und ordnete ihre Frisur.
»Du scheinst dich ja sehr zu freuen«, sagte Oliver. »Deine Schwester hat mir deine Nummer gegeben, nachdem ich dich seit Tagen nicht zu Hause erreichen kann.«
»Was gibt's denn?«
»Du hast mir gefehlt«, behauptete er.
Ich schwieg.
»Habe ich dir nicht gefehlt?«
»Nein, wie kommst du darauf?«, fragte ich gereizt.
»Hast du unsere gemeinsame Nacht denn schon ganz vergessen?«, fragte Oliver.
»Leider nein«, sagte ich. »Ich glaube auch nicht, dass ich die jemals vergessen werde.«
Oliver lachte zufrieden. Gott, war der blöd.
»Ich finde es gut, dass du das mit Humor nimmst«, sagte ich. »Andere Männer würden sich in Grund und Boden schämen und von einem Andrologen zum anderen rennen.«
Ich warf einen prüfenden Blick auf die Marode. Doch sie zeigte keinerlei Reaktion.
»Von einem was?«, fragte Oliver. Er war genauso doof wie die Marode.
»Andrologen sind die Fachärzte, die dein Problem von der medizinischen Seite her in Angriff nehmen könnten.«
»Welches Problem?« Der war aber wirklich schwer von Kapee!
»E-ja-cu-la-ti-o prae-cox«, skandierte ich langsam und deutlich.
Die Marode ließ die Haarbürste fallen. Mit diesem Begriff schien sie was anfangen zu können.
»Ich würde dir ja gern helfen«, säuselte ich in den Hörer. »Aber alle, mit denen ich darüber gesprochen habe - und das waren wirklich viele -, meinen, dass du dieses Problem ohne mich lösen musst.«
Die Marode lauschte mit weit aufgerissenen Augen. Ich lächelte sie an.
»Gute Besserung dann also«, sagte ich, als von Oliver keine Erwiderung kam, und legte auf.
»Den wären wir los«, sagte ich zu der Maroden.
»Gibt es wirklich keine Möglichkeit, ihm zu helfen?«, fragte sie mitleidig.
Ich betrachtete sie neugierig. Hatte ihr Rechtsanwaltsgatte gar das gleiche Problem?
»Kennst du einen ähnlichen Fall?«
»Gottchen, bewahre«, wehrte die Marode ab. »Mein Göttergatte hat höchstens mal einen Schnupfen.«
Es war mein letzter Arbeitstag in Herr Römers Büro. Am Nachmittag versammelte sich daher die ganze Abteilung in unserem Zimmer. Ich servierte mitgebrachten Sekt und selbstgebackenen Schokoladenkuchen.
»Ich werde Sie sehr vermissen«, sagte Herr Römer und überreichte mir eine Sechspfundpackung belgische Pralines. »Schade, dass Sie nicht katholisch sind.«
Ich schüttelte gerührt seine Hand. Klar, dass ich ihn auch vermissen
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