Maenner und andere Katastrophen - Roman
würde. Ich war längst süchtig nach seinem täglichen Lob geworden.
Stefanie schenkte mir eine Riesentüte Gummitiere und eine Postkarte mit dem Abbild des Heiligen Kuniberts. Auf der Rückseite stand »Ohne Sie wird es stille werden, Schwester Annaklara«, darunter ihre Adresse und Telefonnummer. Ich umarmte sie heftig. Wir würden in Kontakt bleiben.
Herr Schimmel-Kotzbrocken schüttelte mir ein letztes Mal die Hand. Er hatte ein Büchlein mit erbaulichen Sprüchen für mich verpackt.
»Vielen Dank, Herr Eh-eh«, sagte ich angeheitert.
Stefanie kicherte albern in ihren Sekt.
»Aber ich bitte Sie, Frau Eh-eh«, antwortete Herr Schimmel-Kotzbrocken. »Das habe ich doch gern für Sie getan. Sie waren doch unser bestes Pferd im Stall.«
Die Mehlig wieherte fröhlich, goss sich Sekt nach und hob das Glas zu einem Trinkspruch: »Auf den Weggang von Frau Dings und darauf, dass jetzt endlich Ordnung hier einzieht!«
Ich wusste, ich würde jeden Einzelnen von ihnen vermissen.
Als ich in melancholischer Stimmung mit meinen Abschiedsgeschenken beladen in unsere Straße einbog, fiel mir am Kiosk die Überschrift eines Hochglanzmagazines auf, die mir in großen Buchstaben die Frage stellte: »HABEN SIE KLASSE?«
Hatte ich Klasse? Ich fand, ja.
»Testen Sie selbst, ob Sie zu den Klassefrauen zählen, und lesen Sie in unserem Sonderteil, was Sie tun können, um Klasse zu erwerben«, wurde ich auf Seite eins aufgefordert.
Ich konnte der Verlockung nicht widerstehen und kaufte die Zeitschrift, obgleich ich schon entschieden hatte, dass ich eindeutig zu den Klassefrauen zu zählen war.
Zu Hause machte ich es mir mit der Zeitschrift und Herrn Römers Abschiedspralinen am Küchentisch gemütlich, um in aller Ruhe mein Klassepotential zu ermitteln. Der Sonderteil begann damit, der geneigten Leserin lebende Klassefrauen vorzustellen. Es gab sie wirklich.
Da war zum Beispiel die adelige Gattin des millionenschweren Topmanagers in ihrer Zwanzig-Zimmer-Villa am See.
Wirklich klasse, wie die es schaffte, ihren Rollen als Mutter von zwei vielversprechenden Kindern, als erfolgreiche, gefragte Galeristin und Kunstmäzenin, als Gastgeberin rauschender Feste und als Aufsichtsrätin der Firma ihres adeligen Vaters gerecht zu werden, dabei täglich die Financial Times zu lesen und immer Zeit zu haben für diverse vielfältige Freizeitvergnügungen wie Golf, Tiefseetauchen, Fotografieren und Aquarellzeichnen und - last but not least - für intime, amüsante Wochenenden zu zweit auf der schneeweißen Jacht, die ihren Namen trug.
Klasse war auch, wie sie es schaffte, dabei immer so klasse auszusehen.
Wirklich verblüffend war, dass sie trotz alledem keinen Tag älter als dreißig aussah.
Und das Allerverblüffendste: Sie war auch keinen Tag älter als dreißig! Das stand jedenfalls unter dem Bild, das sie beim täglichen Bahnenschwimmen im hauseigenen Swimmingpool zeigte. Wirklich klasse.
Die Berichte über die anderen ausgewählten lebenden Klassefrauen übersprang ich ungeduldig, um mich im anschließenden Test direkt mit ihnen zu messen.
Aber gerade, als ich mit der ersten Testfrage beginnen wollte, klingelte es Sturm an der Wohnungstür. Es war Rebecca.
»Was meinst du, was passiert ist?«, rief sie.
»Mama und Papa sind mit einem Flugzeug abgestürzt und haben das Haus dem Club Med überschrieben«, riet ich.
»Falsch.«
»Ist es besser oder schlimmer?«
»Besser.«
»Dann hat Kaspar den ersten Preis bei ›Mein Cello und ich‹ gewonnen und dir eine schneeweiße Jacht mit deinem Namen gekauft«, schlug ich neidisch vor.
»Besser«, sagte Rebecca ohne zu zögern.
»Die Kiebig hat das Zeitliche gesegnet und uns die Millionen in ihrer Matratze hinterlassen, allerdings unter der Voraussetzung, dass wir den königlichen Brathund hegen und pflegen bis ans Ende seiner Hundstage?«, mutmaßte ich.
Rebecca überlegte einen Augenblick. »Ungefähr genauso gut«, sagte sie dann. »Ich bin schwanger.«
Ich war platt.
»Wie konnte das passieren?«, fragte ich intelligenterweise.
»Manche Verhütungsmethoden scheinen geradezu Garanten für eine prompte Empfängnis zu sein«, antwortete Rebecca und lächelte versonnen vor sich hin.
»Welche?«, fragte ich erschrocken, aber Rebecca hörte mir gar nicht zu.
»Ich hab überhaupt nichts dagegen, ein Kind zu bekommen, das merke ich von Minute zu Minute deutlicher«, sagte sie und streichelte über ihren Bauch.
Ich hielt ihr Herrn Römers Pralinen hin und ging ein Weilchen in
Weitere Kostenlose Bücher