Maenner und andere Katastrophen - Roman
fürchterlicher Akne gelitten, an die ich mich genau erinnern konnte. Ich wollte sie gern mal wiedersehen. Die Akne.
»Da wäre noch etwas«, sagte Kai-Uwe. »Meine Schwester und ihr Verlobter verkehren nur in den besten Restaurants. Würde es dir etwas ausmachen, dich dementsprechend zu kleiden?«
So eine Unverschämtheit! Wie war ich denn seiner Meinung nach gewöhnlicherweise gekleidet? In Sack und Asche?
Aber gut, wenn er's denn so haben wollte. Ich lief zu Rebecca in den Laden und ließ mich von ihr in edles Leinen und durchsichtigen Chiffon hüllen, alles in vornehmem Schwarz, dazu meine Wildlederpumps, die mich glatte sechs Zentimeter größer machten, dabei aber leider die Bequemlichkeit von spanischen Stiefeln hatten. Rebecca steckte mir die Haare zu einer überaus eleganten Banane auf und lieh mir feine Klunker für Ohrläppchen und Hand gelenk. Zwei exakte schwarze Lidstriche, sechs Schichten Wimperntusche und das einzig wahre Lippenrot machten meine Erscheinung nahezu perfekt.
Als ich Kai-Uwe die Tür öffnete, war meine nahezu perfekte Erscheinung zusätzlich von einer intensiven Aura feinsten französischen Parfüms umgeben, und ich hatte bereits ein kleines, schwarzes Abendtäschchen geschultert. Kai-Uwe blieb die Spucke weg.
»Schön, dass du pünktlich bist«, sagte ich und hauchte das einzig wahre Lippenrot auf seine Wange.
»Ich hätte dich beinahe nicht erkannt«, gab Kai-Uwe zu, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Aber du siehst toll aus.«
Das wusste ich selbst.
Wir fuhren ins »Chez Margaux«, einen besonders noblen, sicher unbezahlbaren französischen Gourmettempel am Rhein.
Kai-Uwes Schwester und ihr Freund entstiegen gerade einem schneeweißen Golfcabrio, als wir ankamen. Die Schwester trug eine rosa Seidenbluse, eine rosa Hose mit einem rosa Gürtel, rosa Pumps, rosa Lippenstift und rosa Rouge. Aber von der fürchterlichen Akne war nicht mehr die geringste Spur zu sehen. Ich beschloss, sie bei Gelegenheit zu fragen, wie sie sie losgeworden war.
Sie streckte mir ihre rosa lackierten Fingernägel entgegen und lächelte.
»Ich bin Corinna, Kai-Uwes Schwester«, sagte sie.
»Wir kennen uns noch von Pickel und Strauß«, lächelte ich zurück.
Corinna tat so, als hätte sie meine Bemerkung nicht gehört. Verständlich, dass sie nicht gerne an die Pickel-Zeit erinnert wurde.
»Das ist mein Verlobter«, sagte sie und deutete auf ihren Begleiter.
Der Verlobte trug ein brombeerfarbenes Salz-und-Pfeffer-Jackett, Bundfaltenhosen und Seidenhemd. Über dem letzten Knopf - zu tief für jede Form von Bartwuchs, zu hoch für jede Form von Brustbehaarung - saß ein dunkles Haarbüschel, das sich auf und ab bewegte, wenn er sprach.
»Sommerloch, Bankier aus Breibach, wenn du das kennst«, stellte er sich vor und schüttelte mir zackig die Hand. Das Haarbüschel hüpfte dabei auf und ab. Faszinierend.
Ehe ich den Mund aufmachen konnte, um mich meinerseits mit »Raabe, ewige Studentin aus Köln« bekannt zu machen, übernahm Kai-Uwe die Vorstellung.
»Das ist meine Freundin Judith Raabe, angehende Germanistin.«
Ja, so klang das natürlich ganz anders. Ich lächelte Kai-Uwe entzückt an.
Im Inneren des Gourmettempels bekamen wir einen feinen Tisch zugewiesen, nachdem der Verlobte zackig »Ein Tisch für vier Personen, reserviert für Sommerloch, Breibach« gesagt hatte.
»Wo liegt eigentlich Breibach?«, fragte ich interessehalber, als wir uns paarweise gegenübersaßen.
»In der Nähe von Hachenberg, wenn du das kennst«, sagte der Verlobte, wobei sein Haarbüschel raschelte. »Liegt keine fünfundzwanzig Minuten von hier.«
Hachenberg sagte mir auch nichts.
»Liegt ganz in der Nähe von Niederblissenbach, das wirst du ja wohl kennen«, erläuterte das Sommerloch.
»Aha«, sagte ich. Aber auch von Niederblissenbach hatte ich leider noch nie gehört.
»Deine Freundin ist aber nicht gerade ortskundig«, sagte das Haarbüschel zu Kai-Uwe. »Oder kehrt sie hier nur den arroganten Städter heraus?«
»Sie meint es nicht so«, sagte Kai-Uwe entschuldigend.
Ich fand, es gab eigentlich keinen Grund, sich zu entschuldigen, nur weil mir die Preisträger von ›Unser Dorf soll schöner werden‹ nicht geläufig waren. Unter dem Tisch befreite ich mich heimlich von den spanischen Stiefeln. Als der Kellner an unseren Tisch kam, konnte ich auch wieder lächeln.
Sie hatten gerade provenzalische Wochen im »Chez Margaux«, und ich bestellte eine Art Tomatensuppe als Vorspeise.
Als die
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