Maenner und andere Katastrophen - Roman
Suppe gebracht wurde, belehrte mich das Haarbüschel ungefragt: »Das Tomaten-Consomme ist dann gelungen, wenn man das Gefühl hat, in eine frische Tomate zu beißen.«
Ich bedankte mich für die wertvolle Information und nahm den ersten Löffel. Es war tatsächlich genauso, als ob man in eine frische Tomate biss, mit dem kleinen Unterschied, dass es heiß, gesalzen, flüssig und mit Kerbel gewürzt war. Es schmeckte lecker.
Während wir aßen, erzählte uns das Sommerloch allerhand aus dem spannenden Alltag bei der Bank, und beim Hauptgericht stellte Kai-Uwes Schwester dann die unvermeidliche Frage nach meiner beruflichen Zukunft.
»Was möchtest du nach deinem Studium beruflich machen?«, fragte sie.
Ich hatte im Laufe der Jahre eine gewisse Routine im Beantworten dieser Frage erworben und sagte, das sei noch so lang hin, dass ich mir darüber zurzeit keine Gedanken machen müsste.
»Ja, wie alt bist du denn?«, fragte der Sommerloch-Verlobte.
Ja, hatte ihm da draußen in Breibach bei Hachenberg niemand beigebracht, dass man eine Dame niemals nach ihrem Alter fragt?
»Siebenundzwanzig, beinahe«, gab ich widerwillig zu.
»Sie-ben-und-zwan-zig?«, wiederholte das Haarbüschel. »Und da hast du dir noch keine Gedanken über deinen Beruf gemacht? Das ist ja un-glaub-lich!«
»Siebenundzwanzig, nicht siebenundachtzig«, sagte ich säuerlich und nahm den ersten Bissen Schwertfisch. Er wenigstens war ausgezeichnet.
»Ja, wovon lebst du denn, um Himmels willen?«, fragte das Haarbüschel.
»Ich jobbe als Sekretärin«, erklärte ich ihm.
»Ach so«, entgegnete das Haarbüschel geringschätzig.
Er hatte wohl was gegen Sekretärinnen, denn ich fühlte förmlich, wie meine teure Leinen-, Chiffon- und Klunkertarnung von mir abfiel. Ich aß schweigend weiter.
Das Sommerloch winkte den Kellner heran, um das Dessert zu bestellen.
»Wir nehmen den Ziegenkäse in Lavendel«, sagte er und setzte, an uns gewandt, hinzu! »Der ist wirklich ganz ausgezeichnet.«
Kai-Uwe bestellte daraufhin ebenfalls Ziegenkäse.
»Und für Sie, Mademoiselle?«, fragte der Kellner und sah mich an.
»Ich nehme lieber was Süßes«, sagte ich.
»Nimm den Ziegenkäse«, bestimmte das Sommerloch kategorisch.
»Nein, danke. Ich möchte lieber einen süßen Nachtisch«, wiederholte ich höflich.
»Es ist der beste Käse, den sie hier haben«, sagte der Verlobte. »Er ist gut. Du musst ihn nehmen.«
»Ich mag jetzt keinen Käse.«
Der Kellner lächelte mich an. Ich lächelte dankbar zurück.
»Hast du den Käse schon mal probiert?«, fragte das Haarbüschel penetrant.
»Nein«, sagte ich ehrlich und bestellte hastig die Erdbeeren mit grünem Pfeffer an Weinschaum.
»Aha, was der Bauer nicht kennt, das frisst er wohl auch nicht, was?«, sagte das Haarbüschel.
Das war ja wohl das Letzte.
»Wie hieß noch gleich das Kuhdorf, aus dem du kommst?«, fragte ich zurück.
»Brei ... O, deine Freundin hat aber Haare auf den Zähnen«, sagte der Verlobte zu Kai-Uwe.
»Besser als ganze Haarbüschel auf dem Adamsapfel«, dachte ich, traute mich aber nicht, es laut zu sagen.
»Sie meint es nicht so«, sagte Kai-Uwe wieder, und das, obwohl ich es gar nicht laut gesagt hatte.
Es war mehr, als ich ertragen konnte. Ich musste aufstehen und die Toilette aufsuchen. Meine Tischherren erhoben sich ebenfalls. Ich entschuldigte mich formvollendet und durchquerte den Saal so anmutig, wie es in den spanischen Stiefeln möglich war.
Auf dem marmornen Klo fand ich mein Spiegelbild immer noch nahezu perfekt, Lichtjahre von Salz-und-Pfeffer aus Breibach bei Hachenberg und seiner bedauernswerten, rosafarbenen Verlobten entfernt.
Ich war gerade dabei, das einzig wahre Rot auf meinen Lippen zu erneuern, als die bedauernswerte Verlobte das Marmorklo betrat. Sie holte ihren rosafarbenen Lippenstift aus ihrem rosafarbenen Täschchen und lächelte mich aufmunternd an.
»Ist das eine ernstere Sache zwischen dir und Kai-Uwe?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete ich viel heftiger als beabsichtigt.
»Nein! Nein! Nein!«, hallte es von den Marmorwänden wider.
»Ich glaube, du bist auch nicht die Richtige für Kai-Uwe«, sagte Corinna, als das Echo abgeklungen war. »Sänger sind nämlich ganz sensible Naturen, musst du wissen.«
»Ja, das kann schon sein«, sagte ich.
Langsam hatte ich die Beleidigungen aber satt! Ich überlegte, ob jetzt der Augenblick gekommen war, Corinna nach dem Verbleib ihrer Akne zu fragen. Aber ich tat es natürlich nicht.
Als wir
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