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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Punkt für Hermes-Tücher, Chanel-Jäckchen und der/ die/das Kelly-Bag.
    Wir waren irritiert. Der ganze Kram war nicht nur mehr oder weniger scheußlich, sondern unbezahlbar. Von wegen, Klasse ist nicht käuflich, haha.
    »Was sind Gucci-Loafers?«, wollte Bille wissen.
    Wusste ich auch nicht.
    »Null Punkte für uns«, sagte ich ärgerlich, »oder hast du vielleicht eine antike Armbanduhr?«
    »Na, hör mal, erst möchte ich wissen, worum es sich bei Gucci-Loafers handelt«, murrte Bille, »womöglich hab ich die Dinger ja im Schrank und weiß es gar nicht.«
    »Wahrscheinlich bekommt man was abgezogen, wenn man das nicht weiß«, vermutete ich, aber das war bei uns ja glücklicherweise nicht möglich.
    Etwas verunsichert wandten wir uns der Frage über unseren Bildungsstand zu, bei der man gleich haufenweise Punkte abstauben konnte, je einen pro akademischen Grad und Doktortitel.
    Wieder nichts für uns.
    Auf diese Weise kam im Verlauf des Tests eine nur eher klägliche Punktezahl zu unseren Gunsten zusammen, und ich musste überdies mit Schrecken feststellen, dass Bille offenbar mehr Klasse besaß als ich.
    Glücklicherweise erinnerte ich mich, welches die beiden deutschsprachigen Schriftsteller waren, die vor kurzer Zeit das Zeitliche gesegnet hatten, aber das war Bille als cleverer Buchhändlerin selbstverständlich ebenfalls bekannt. Sie sagte, in ihrem Job müsse man sogar schon immer im Voraus wissen, wer demnächst sterben wird, damit man dessen Biographien gleich am nächsten Tag im Schaufenster ausstellen könne.
    Zu meinem Ärger wusste sie außerdem, dass die Buchstaben DAX für Deutscher Aktien Index standen, und sie behauptete steif und fest, öfter als einmal im Quartal mehrgängige Abendessen für mehr als zwölf Personen zu geben. Zwei Punkte für sie, keiner für mich.
    Bei der Frage, wie viel Trinkgeld wir einem Taxifahrer in New York zu geben pflegten, bestand sie auf einem Punkt, weil sie erraten hatte, wie die Klassefrau den Taxifahrer dort gewöhnlicherweise entlohnt. Ich war zwar gegen den Punkt, weil die Frage schließlich voraussetzte, dass Bille gewohnheitsmäßig in New York und hier insbesondere mit dem Taxi verkehrte, dabei war sie noch nicht mal in die Nähe des amerikanischen Kontinentes gekommen. Aber ich ließ ihr ihren Willen, weil meine Vorstellung von Klasse Großzügigkeit auch gegenüber rechthaberischen Hochstaplerinnen einschloss.
    Außerdem versprach ich mir eine Vielzahl Punkte bei der anschließenden Frage, die sich mit dem Inhalt unserer Handtaschen befasste, denn niemand trug darin so viel spazieren wie ich. Wider jede Logik bekam Bille aber auch hier einen Punkt, und bloß dafür, dass sie einen Lippenstift in ihrer Tasche vergessen hatte, während ich wieder leer ausging.
    Unverständlicherweise wurde nämlich kein einziger Punkt für geklaute Operngläser, Hunde-und-Menschen-Abwehrsprays oder Springmesser vergeben. Eine wirkliche Klassefrau hingegen hätte hier gleich acht Punkte auf einmal eingeheimst, denn sie trägt, wie wir jetzt wussten, immer ein frisches Paar Seidenstrümpfe, Puderdose, Lippenstift, Visitenkarten, Nagelfeile und Füllfederhalter mit sich.
    Tja, es sah nicht gut aus.
    Tatsache war, dass ich am Ende sieben und Bille zwölf von siebzig möglichen Punkten ergattert hatte. Wir wurden dadurch beide in der Kategorie »Bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren« eingestuft.
    Bille immerhin konnte sich durch das simple Auffüllen ihrer Handtasche in die nächsthöhere Kategorie hochmogeln, die mit »Sie müssen noch viel lernen« überschrieben war.
    Darüber freute sie sich maßlos. Sie errechnete, dass sie, sollte sie zukünftig täglich die Financial Times lesen, die ordinäre Handtasche gegen der/die/das Kelly-Bag tauschen und Seidenstrümpfe in allen Lebenslagen tragen, nahe an »Zuviel Perfektion kann auch langweilig sein« heranreichen würde.
    »Ach ja, ach ja«, sagte sie und gähnte, »bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren, junge Frau, und das tut mir leid für Sie.«
    Ich gähnte auch.
    »Das macht der Wein«, meinte Bille. »Bist du auch so müde?«
    Ich war außerdem stockbesoffen. Wir schleppten uns vom Balkon und ließen uns aufs Bett plumpsen.
    »Hier liege ich und werde nie mehr aufstehen«, verkündete Bille, warf ihre Schuhe und die restlichen Klamotten auf den Boden und kuschelte sich unter die Decke.
    In meinem Kopf drehte sich alles. Eigentlich vertrug ich mehr Wein als zweieinhalb Gläschen.
    »Meinst du, da war Frostschutzmittel

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