Maenner und andere Katastrophen - Roman
befestigte ich den Schweinehirten, die rosafarbene Muttersau und Zwerg Sommerloch an den Fadenkreuzen. Sie sahen unbeschreiblich gut aus. Ich hängte sie an meine Garderobe und umkreiste sie entzückt. Mo tat das Gleiche.
»Man wird sie uns aus den Händen reißen«, sagte er zufrieden. Ich hoffte inbrünstig, er möge recht haben.
Später am Abend sollte eine Probe für Rebeccas Modenschau stattfinden. Als ich gerade runtergehen wollte, rief Bille an.
»Stell dir vor!«, rief sie begeistert.
»Ich gebe mir Mühe«, sagte ich genervt. In letzter Zeit hatte ich sehr wenig Geduld mit ihr.
»Stell dir vor, ich fahre morgen an die Ostsee zum Segeln!«, rief sie.
»Wie schön.«
»Und rate mal, mit wem?«
Ich seufzte. »Mit Würghart, nehme ich an.«
»Genau!«
»Wie schön.«
»Ach, Judith, nun gönn ihn mir doch«, rief Bille. »Stell dir vor, ich und er in einem Zelt, auf einem Boot! Ist das nicht irre toll?«
»Ja, irre.«
Alle Welt schien verrückt geworden zu sein.
Das eine der Kleider, das ich vorführen sollte, hieß »Winternachtstraum«, und so sah es auch aus. Es war aus nachtblauem, feinem Samt und sparsam mit winzigen, glitzernden Strasssteinchen bestickt. Das langärmelige Oberteil war enganliegend und tief ausgeschnitten, der Rock war vorne kürzer als hinten und schwang wie eine umgekehrte Tulpe um meine Beine. Ich hatte das Kleid schon ein paarmal in den verschiedenen Fertigungsstadien anprobiert, aber als ich es jetzt an mir im Spiegel sah, war ich schlicht überwältigt.
Rebecca schloss das letzte der vielen winzigen Samtknöpfchen am Rücken und betrachtete mich zufrieden.
»Jetzt die Schuhe«, sagte sie und hielt mir mittelalterlich anmutende Schnürstiefel mit Absätzen so hoch wie der Eiffelturm hin.
Marianne und Eva, die die anderen Kleider vorführen sollten, mussten sich mit Hilfe von Paula, unserer Tante, und Rebeccas Freundin Ingrid an- und ausziehen. Sie sollten auch nicht, wie ich, nur zwei Kleider vorführen, sondern Rebeccas gesamte Kollektion, und die bestand in diesem Jahr aus fünfundsechzig Teilen, Kostüme, Blusen, Hosen, Kleider und Mäntel. Dazu mussten sie sich blitzschnell umziehen können. Marianne war uns anderen da haushoch überlegen. Sie hatte eine Menge Geld für eine Modelausbildung in einem dieser zwielichtigen Institute investiert, die einen in der Wochenendausgabe der Tageszeitung immer mit so verlockenden Sprüchen wie: »Bei uns ist nicht Perfektion, sondern Ausstrahlung gefragt« eine Karriere wie Claudia Schiffer versprechen. Dort hatte sie gelernt, auf Modenschauen aufzutreten, wie man sich auf dem Laufsteg bewegt, sodass sie sich jetzt ihr Studium damit finanzierte. Ich persönlich fand Marianne nicht so hübsch wie Claudia Schiffer, aber ich musste doch zugeben, dass sie ebenso professionell Kleider vorführen konnte wie das Mädchen in der Reklame, die am Ende ihre Achselhöhlen in die Kamera hält und sagt: »Bei mir wirkt acht mal vier!« Rebeccas Freundin Ingrid besorgte Make-up und Frisur. Sie steckte mir die Haare so auf, dass es lässig und elegant zugleich aussah, und sie brauchte dafür weniger als zehn Minuten. Als sie mit mir fertig war, fand ich mich atemberaubend schön. Ich fragte Ingrid, ob sie nicht jeden Tag kommen wollte. Da richtete Mo einen Scheinwerfer auf mich und sagte: »Ich glaube nicht, dass du es gern hättest, wenn dich jemand bei Tageslicht in diesem Zustand sehen würde.«
Als wir einen ersten Probegang über den von Steffen und Mo zusammengezimmerten Laufsteg taten, blieben meine Eiffelturmabsätze zwischen den Latten stecken, erst der eine, dann der andere.
»Das ist ein wirklich toller Laufsteg«, höhnte ich. »Ich wette, das Publikum wird seine helle Freude daran haben, wenn die Models ständig feststecken wie Zahnstocher in Käsewürfeln.«
Ich versuchte vergebens, mich zu befreien.
»Mach nichts kaputt!«, rief Mo aufgebracht und untersuchte seine Konstruktion mit bangen Blicken. Tatsächlich musste er zugeben, dass die Lagerhauspaletten nicht für eine Beschreitung durch Schuhe mit Absatz geeignet waren. Er und Steffen versprachen Rebecca, diesen kleinen Makel bis zur Modenschau zu beheben. So lange mussten wir unseren Auftritt eben barfuß zu Ende führen, was mir nur recht war.
Wir übten ein paarmal zu Musik von Pink Floyd, den Weather Girls und Supertramp. Dabei versuchte ich, mein Becken ähnlich eigenartig vorwärts zu schaukeln, wie Marianne es tat. Es war eine verdammt knifflige Angelegenheit, aber
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