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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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anstellen könnte.
    Das schwarze Fenster auf meiner Seite fährt herunter. Vorsichtig beuge ich mich vor und schiele hinein.
    „Soll ich Sie mitnehmen?“
    Von wegen. Wer weiß, was er mir antun wird!
    Aber dann beginnt Manny Ortiz zu grinsen. Ein nettes Grinsen, kein dein-Hals-ist-dünn-genug-um-ihn-mit-einem-Griff-umzudrehen-Grinsen. Dann erblicke ich eines seiner Kinder, einen kleinen Jungen, der hinten auf einen Kindersitz geschnallt ist. „Meine Frau, sie hat mir erzählt, was Sie getan haben, dass Sie den Hahn gekauft haben. Der Vogel bedeutet Ihnen viel, sí?“
    „Ja“, lüge ich.
    Er kichert. „Wenn Sie einen Hahn wollten, ich hätte Ihnen sagen können, wo es den viel billiger gibt.“
    „Ich wollte nicht …“ Ach, was soll’s. Ich kann das hier sowieso nicht erklären.
    „Was Sie getan haben, ist sehr großzügig. Das Geld wird uns dabei helfen, schneller eine eigene Wohnung zu finden. Gracias.“
    Ich nicke. „De nada“, sage ich, was das Einzige ist, das ich auf Spanisch sagen kann. Dann füge ich, weil ich jetzt überhaupt nichts mehr zu verlieren habe, hinzu: „Und die anderen Hähne?“
    „Wollen Sie die auch kaufen?“
    „Nein, nein. Aber …“
    „Ja, was dann …?“
    Ich verliere fast die Nerven. Manny seufzt und fährt sich mit der Hand durch sein dichtes Haar. „Ihr Frauen, ihr habt viel zu weiche Herzen.“ Er wirft mir einen Blick zu. „Ich denke darüber nach. Inzwischen bringe ich Sie überallhin, wo Sie wollen, okay? Ihre Mutter und Sie sind sehr gut zu unserer Familie gewesen. Sie mitzunehmen ist das Mindeste, was ich tun kann.“
    Ich zögere.
    „Hinten liegt keiner drin, falls Sie das befürchten.“
    Himmel, daran hatte ich nicht einmal gedacht. „Nein, es ist nur so … ich weiß nicht genau, wo ich … hin … soll …“
    Oh Gott. Blöder kann man sich nicht anstellen. „Können Sie mich vielleicht nach Brooklyn bringen? Nach Greenpoint?“
    „Kein Problem. Stellen Sie den Vogel hinten rein, und steigen Sie ein. Benita wird froh sein, den Kleinen mal eine Weile los zu sein, sí?“
    Ich verstaue den Käfig auf dem Rücksitz und klettere dann neben den Jungen, der mir schüchtern zulächelt.
    „Jesus, lass mich auf der Stelle tot umfallen, bitte!“ Paula steht vor ihrer Haustür, die Hand auf der Brust. „War das ein Leichenwagen?“
    Ich winke Manny und Klein-Benito zu, als sie davonfahren, und wende mich dann wieder meiner aschfahlen Cousine zu. „Das ist eine lange Geschichte, und ich muss wirklich, wirklich dringend pinkeln …“
    Ihr Blick fällt auf den Käfig. Und seinen Insassen.
    „Ich traue mich ja fast nicht zu fragen“, sagte sie. „Aber warum hast du einen Hahn bei dir?“
    „Paula? Soll ich hier mitten in den Flur pinkeln?“
    „Ach Himmel, komm rein. Nein, warte, lass den Hahn … was soll’s, ich weiß nicht, wohin mit dem Hahn. Frank! Das musst du sehen!“
    Ich haste den Gang hinunter zur Toilette und schaffe es gerade noch rechtzeitig. Als ich wieder herauskomme, ist Rockys Käfig von einer ganzen Horde unterschiedlich großer Wojowodskis umringt. Jetzt, wo meine Blase geleert ist, lasse ich mir noch einmal schnell alle Ereignisse durch den Kopf gehen, die mich hierher geführt haben, und genau in diesem Augenblick kommt Nick die Treppe hinunter. Seine Augen weiten sich, als er mich sieht. Dann entdeckt er Rocky und kneift die Augen wieder zusammen.
    „Meine Güte. Der Hahn kommt mir ziemlich bekannt vor.“
    Rocky fährt herum und gibt eine Art Glucksen von sich.
    „Du hattest Recht, sie haben ihn zum Kämpfen aufgezogen“, sage ich eilig. „Meine Mutter hat ihn ihnen zurückgegeben, aber ich konnte es nicht ertragen, also bin ich hingegangen und habe ihn, äh, befreit.“
    Ich schätze, das, was in Nicks Augen aufleuchtet, könnte man Verwirrung nennen. „Und dann hast du ihn … hierher gebracht.“
    Mein Blick fällt von Nick auf Paula und auf Frank und wieder zurück zu Nick. „Es ist nur so lange, bis ich für ihn einen anderen Platz gefunden habe, das schwöre ich.“
    „Mom, er ist so cool“, sagt Frank junior, der älteste Sohn. „Als ob wir auf einem Bauernhof leben.“
    „Was wir nicht tun“, gibt Paula zurück und wendet sich dann an mich. „Honey, ich schwöre, ich würde alles für dich tun, aber ich kann keinen Hahn bei mir behalten.“
    Meine Augen brennen. Ich komme mir so furchtbar blöd vor. Und verzweifelt. Wie kommt es, dass meine Mutter solche Dinge immer mit großer Würde tun kann, während ich

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