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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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machen. Ich meine, ich mag diesen blöden Hahn nicht einmal. Wieso interessiert es mich, was aus ihm wird?
    Ich wende mich nördlich, marschiere durchs Rockefeller Center, überquere die Straße und sehe mich eine halbe Stunde oder so bei Saks um. Schließlich gehe ich über die 50. Straße zurück zur Haltestelle Richtung Uptown. Doch als ich zur Siebten Avenue komme, laufe ich über die Straße und gehe zur Haltestelle Richtung Downtown.
    Ich kann nicht fassen, dass ich das tun will.
    Mein Herz hämmert in der Brust, als ich mir ein paar neue U-Bahn-Münzen kaufe. Ich meine, selbst wenn ich diese Leute in Weehawken ausfindig mache, was zum Teufel soll ich dann tun? Eine einfache Frau will einen Angriff starten, um einen Hahn zu retten. Und dann?
    Ich stehe vor dem Drehkreuz, die Münze habe ich noch nicht eingeworfen. Noch kann ich meine Meinung ändern. Einfach umdrehen, die Treppen hinauflaufen und nach Hause gehen.
    In der Ferne höre ich das Herannahen der Bahn.
    Ich stecke die Münze in den Schlitz und schiebe mich durch das Drehkreuz.

16. KAPITEL
    A ls ich schließlich am Port Authority in den Bus steige, der mich nach Weehawken bringen wird, bin ich eine zielstrebige Frau. Oder vielleicht eine besessene. Ich frage den Fahrer, ob er zufällig weiß, welche Haltestelle am nächsten zu der Adresse auf der Karte liegt. Das weiß er nicht, aber eine dickbäuchige kubanische Frau, die vor mir eingestiegen ist, sagt es mir.
    Froh darüber, dass ich zumindest nicht stundenlang ziellos mit dem Bus durch Weehawken fahren werde, suche ich mir einen Platz und zwinge mich, nicht an den Fingernägeln zu kauen. Kurz darauf spuckt mich der Bus auf den Kennedy Boulevard. Hinter mir jenseits des Flusses ist Midtown Manhattan zu sehen. Und vor mir nur eine Dummheit, die ich begehen werde.
    Ohne zu wissen, wohin ich mich wenden soll, schlage ich die westliche Richtung ein und bete um Führung. Oder wenigstens einen Menschen, der Englisch spricht. Schließlich finde ich jemanden, der mir den Weg zu dem Beerdigungsunternehmen zeigt, das zufälligerweise nur einen Block von hier entfernt ist. Der Parkplatz ist leer, was Gott sei Dank nichts anderes heißt, als das ich nicht in irgendwas hereinplatzen werde …
    Die Vordertür ist offen. Ich gehe hinein und folge den Stimmen, die ich weiter hinten in einem Büro höre. Zwei Köpfe zucken hoch, als ich so unvermittelt eintrete; ein Mann und eine Frau, beide in mittlerem Alter und dunkelhaarig, sehen mich überrascht an.
    „Ich suche Manny Ortiz“, sage ich, bevor einer von beiden mich in ein Verkaufsgespräch verwickeln kann. Nicht dass es mir schwer fallen würde, über meinen eigenen Tod zu sprechen – aber es ist einfach sehr unwahrscheinlich, dass ich jemals beschließen sollte, mich in Weehawken beerdigen zu lassen.
    „Er hat heute frei“, antwortet der Mann. „Kann ich Ihnen helfen?“
    „Es ist … privat. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo er wohnt? Nun, äh, wir waren einmal Nachbarn. In Washington Heights.“
    Ich schätze, ich sehe nicht besonders bedrohlich aus, denn der Mann nickt und sagt mir, wo ich Ortiz finden kann, nämlich in seinem Haus. Aha, das ist also der Cousin.
    Der Stadtkern von Weehawken – die Betonung liegt übrigens auf dem „Wee“ – besteht aus schattigen Straßen und einem Mischmasch an verschiedensten Baustilen. Die Familie Ortiz lebt in einer etwas heruntergekommenen Straße, die wahrscheinlich früher einmal elegant gewesen ist. Das Haus selbst ist ein braunes zweistöckiges Gebäude mit Schindeldach in etwa aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Ein Hund bellt, als ich mich nähere, Essensgerüche dringen durch die Eingangstür. Als ich auf der obersten Stufe der Veranda angekommen bin, wird mir klar, dass ich keine Ahnung habe, wie gut diese Leute Englisch sprechen – wenn überhaupt. Und dass mein Spanisch ziemlich erbärmlich ist.
    Mrs. Manny kommt zur Tür, sie trägt ihr jüngstes Kind auf den Hüften. Ein roter BH-Träger ist unter dem schwarzen Tank Top über den Arm gerutscht und schneidet in ihre Haut.
    „Mrs. Ortiz? Mein Name ist Ginger Petrocelli. Ich suche Ihren Mann.“
    Sie schaut mich blinzelnd an, grinst und entblößt dabei einen fehlenden Zahn.
    „Sie sind die Frau aus der alten Wohnung!“ ruft sie, geht einen Schritt zur Seite und lässt mich hinein. Dass ich einfach so auftauche, scheint sie weder zu überraschen noch zu beunruhigen. Sie nimmt das Kind höher auf den Arm, um meine Hand schütteln zu

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