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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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können, und sagt, ihr Name sei Benita. „Kommen Sie rein, bitte. Hier ist alles durcheinander, aber mit so vielen Kindern …“ Sie zuckt die Schultern. „Wir hoffen bald unsere eigene Wohnung zu bekommen. Möchten Sie vielleicht eine Cola?“
    „Nein, vielen Dank.“ Erleichtert zumindest einmal darüber, dass es keine Sprachprobleme gibt, betrachte ich das Wohnzimmer, das voll gestopft ist mit sperrigen mediterranen Möbeln auf einem Teppich von der Farbe matschigen Malzbiers. Das Zimmer ist sauber, das „Durcheinander“ besteht nur aus Kinderspielzeug und Farbstiften und Ähnlichem. „Ich habe nicht viel Zeit. Ich … ich wollte nur mal nach dem Hahn sehen. Rocky.“
    Sie dreht sich zu mir um, ihr Lächeln verblasst. „Dem Hahn?“
    „Ja. Meine Mutter hatte doch auf ihn aufgepasst. Ihr Mann kam heute Morgen, um ihn abzuholen.“
    „Sí, sí, verstehe.“ Sie setzt den Kleinen auf den Boden und streicht sich das Haar aus der Stirn. „Er ist hinten bei den anderen.“ Sie leckt sich über die Lippen. „Mein Mann ist nicht da. Ich glaube nicht, dass Sie sehen sollten …“
    Aber ich bin schon halb durch das Haus gestürmt, durch die makellos saubere Küche hindurch in den Hinterhof, in dem einige kleine Laufställe stehen. In jedem ist ein Hahn.
    Keine Hennen, nur Hähne.
    Ich wende mich an Benita, die mich mit sorgenvollem Blick betrachtet, obwohl ich eigentlich nichts in der Hand habe, um ihr Ärger zu bereiten. Schließlich habe ich keinen Beweis dafür, dass hier Kampfhähne gehalten werden.
    „Das war nicht meine Idee“, sagt sie leise, die Arme vor ihrem wabbligen Bauch verschränkt. „Hombres estupidos, non?“
    Vier dieser Kreaturen sehe ich, auf ihre Art majestätische Tiere. Ich kann sie nicht alle retten. Genauso wenig kann ich die hombres estupidos davon abhalten, mit dieser Praxis weiterzumachen, nicht heute, nicht ganz alleine. Und die Polizei zu rufen wäre völlig nutzlos. Doch plötzlich kann ich verstehen, was meine Mutter antreibt, einen offenbar sinnlosen Kampf auszutragen. Denn, wie Nonna gesagt hat, irgendjemand muss für die sprechen, die keine eigene Stimme haben.
    Gut, vielleicht handelt es sich hier nur um einen Hahn, aber das ist doch schon mal ein Anfang.
    „Wie viel ist er … wert?“
    Benita versteht, was ich meine. Sie zuckt mit den Achseln und sagt es mir. Ich denke an den Scheck in meiner Tasche, der auf eine weitaus höhere Summe ausgestellt ist. Ich ziehe mein Scheckbuch heraus, füge noch einhundert Dollar zu ihrer Zahl hinzu, und übergebe das Papier der erstaunten Frau. „Ich nehme ihn mit.“
    Ich stapfe mit dem Hahn zurück zur Bushaltestelle und stelle fest, dass meine Begeisterung deutlich nachgelassen hat. Vorausgesetzt, ich finde ein Transportmittel, das Tiere an Bord erlaubt, was werde ich mit eben diesem Tier anfangen, wenn ich erst zu Hause bin?
    So viel zu meinen früheren Aussagen über impulsives Verhalten.
    Hey ihr – seht euch doch nur diese trendige witzige Frau aus der Stadt an, denke ich, als ich den schweren Käfig von der einen, nun tauben Hand in die andere wechsle.
    Stellen Sie sich einfach mal vor, dass ich jetzt in irgendeinem Café stehen und mich mit anderen trendigen jungen Menschen aus der Stadt unterhalten könnte und keine anderen Probleme hätte, als mir zu überlegen, in welches angesagte Restaurant ich als Nächstes gehen könnte. Stattdessen schleppe ich einen Hahn mit mir rum, der Käfig knallt schmerzhaft gegen meine Schenkel, und hoffe nur, dass ich ihn mir nicht auf den Rücken schnallen und mit ihm durch den Hudson schwimmen muss, um endlich aus New Jersey zu entkommen.
    Die erste Viertelstunde sieht es gar nicht gut aus. Als dann endlich ein Bus auftaucht, lacht mir der Fahrer nur ins Gesicht, schließt die Türen und fährt los, während Rocky und ich hustend die Abgase einatmen. Ein Taxi ist auch nicht in Sicht. Außerdem muss ich so langsam mal pinkeln, zudem habe ich einen Sonnenbrand und stehe kurz davor, in Tränen auszubrechen. Einer Lösung bin ich noch kein Stückchen näher gekommen. Als ich mir dann schließlich doch vorstellen kann, in Weehawken beerdigt zu werden, taucht plötzlich ein großes schwarzes Fahrzeug auf, das vor mir abbremst.
    Ein Leichenwagen. Und drei Mal dürfen Sie raten, wer hinterm Steuer sitzt.
    Mein Blut gefriert (ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz tatsächlich einmal benutzen würde), als ich mir vorstelle, was ein wutentbrannter Hahnbesitzer wohl mit einer dummen gringa

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