Männer und der ganz normale Wahnsinn
helfen?“
Ich betrachte sie und spüre, wie mein alter Groll wieder hochsteigt. Doch ich schweige. Im Moment bin ich sehr verletzlich, ich habe nicht das Bedürfnis, mit ihr darüber eine Diskussion anzufangen. Was der Grund ist, warum ich von Anfang an nicht wollte, dass sie vorbeikommt.
Sie seufzt. „Aber ich bin inzwischen vorsichtiger geworden. Ich lasse keine absolut Fremden mehr rein, so wie Daddy und ich es früher getan haben. Zumindest nicht, wenn ich nicht irgendwie ihre Personalien überprüfen kann.“ Sie fährt sich mit der Hand durchs Haar und runzelt die Stirn. „Das regt deine Großmutter zu sehr auf.“
Nun, schön. Wenn schon nicht auf ihre Tochter, dann nimmt sie wenigstens auf ihre Schwiegermutter etwas Rücksicht. Auf jeden Fall ist mir aufgefallen, dass sie meiner Behauptung, wir würden einander umbringen, nicht widersprochen hat.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Plastikbehälter. Die Pasta trotzt ihrer Gefangenschaft, indem der Geruch nach Knoblauch und Tomatensauce herausdringt. Traditionelle, Arterien verstopfende Ravioli, gefüllt mit einfacher Fleischsauce, die Pasta mit Eiern gemacht. Meine Knie werden weich. Ich stelle die Dose in meinen leeren Kühlschrank und nehme mir vor, Nonna anzurufen, wenn ich zurück bin …
„Tut mir Leid, Süße“, sagt Nedra sanft. So sanft sogar, dass ich überrascht aufsehe.
„Was?“ frage ich, Gott sei Dank ist das Hotel Petrocelli jetzt kein Thema mehr.
„Was glaubst du denn?“
Ah. Ich lächle fast. „Ja, klar. Du hast Greg gehasst, du kannst seine Familie nicht leiden und alles, wofür sie steht. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass du sehr traurig über den Verlauf der Dinge bist.“
„Nein, wahrscheinlich nicht. Ich fand den Gedanken schrecklich, dass du in diese Familie von Heuchlern einheiratest.“
Ein ganz besonderer Schmerz jagt durch meine linke Schläfe. „Nur weil sie nicht genauso leben wie du, nicht genauso denken, heißt das noch lange nicht, dass sie Heuchler sind.“
Sie schaut mich mit diesem Na-gut-wenn-du-meinst-Blick an und antwortet: „Wie auch immer. Es geht auch gar nicht darum, was ich von ihnen halte. Jetzt zumindest nicht. Deswegen kann es mir trotzdem Leid tun. Ich weiß, dass du ihn geliebt hast.“
Es bringt sie fast um, das zuzugeben. Doch bevor ich antworten kann, spricht sie schon weiter: „Und ich kann nicht mit ansehen, wie sehr du leidest. Ich kann mich gut daran erinnern, was für ein Gefühl das ist, plötzlich wieder Single zu sein. Und dann dieses Mitleid.“
Ich starre sie mit aufgerissenen Augen an. Ganz schön gespenstisch: Verständnis? Von Nedra? Auf einer persönlichen Ebene?
Ich glaube, mir wird schwindlig.
„Und ich weiß auch, wie man sich fühlt“, sagt sie, die dunklen Augen auf mich gerichtet, „wenn man nach so einem Ereignis zum ersten Mal wieder nach draußen geht. Man schaut die Leute an und fragt sich, wie sie einfach so weitermachen können, ihr ganz normales Leben weiterleben, während dein eigenes zerbrochen ist.“
Zum ersten Mal fallen mir die dunklen Ränder unter ihren Augen auf, sie sieht müde aus. Sogar besorgt.
Ich habe meine Mutter empört erlebt, aufgekratzt, verzweifelt. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals zuvor diesen Blick in ihren Augen gesehen habe. Und mir wird klar, dass sie wirklich nicht gekommen ist, um mich zu quälen, zumindest nicht mit Absicht, sondern weil sie möchte, dass ich sie brauche. Als Mutter, als Freundin, als alles, was ich sie sein lasse.
Gütiger Gott. Sie will eine echte Beziehung herstellen? Dieses ganze In-der-Not-halten-wir-zusammen-Theater abziehen?
Meine Augen brennen, als ich mich abwende und eine Sonnenbrille und ein Buch in meine Strohtasche werfe. Ihre ganze Kritik, die unvereinbaren Meinungen … ich weiß, wie ich mich davor schützen kann, ich habe gelernt, die Zähne zusammenzubeißen. Dieses … Mitleid oder was immer es ist hingegen …
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
„Wir sollten besser aufbrechen“, sage ich, schnappe den blöden Videofilm vom Couchtisch und gehe aus der Tür.
Eineinhalb Stunden später ist alles wieder normal. Wenn man das, was zwischen meiner Mutter und mir geschieht, überhaupt als normal bezeichnen kann. Noch bevor ich einem Taxi winken konnte, verstrickten wir uns in eine politische Diskussion, und unsere Gemüter waren noch nicht wirklich abgekühlt, als wir an der Grand Central Station ankamen, wo sie mit einigen
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