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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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angesagt, nachdem Nedra offenbar seit etwa sechs Monaten ihre Tage nicht mehr bekommt. Sobald das erste Jahr rum ist, sagt sie, will sie eine Party geben, um ihren offiziellen Eintritt ins dritte Lebensalter zu feiern.
    Sie konzentriert sich mit herabhängenden Mundwinkeln wieder auf ihr Buch. „Du ahnst ja nicht“, sagt sie mit einer Stimme, laut genug, dass sie ohne Mikrofon auch noch in der letzten Reihe des Yankee-Stadiums zu hören wäre, „auf welche heimtückische Weise die Ärzte versuchen, jede natürliche Funktion des weiblichen Körpers als eine Behinderung darzustellen. Das ist absolut empörend.“
    Mindestens vier Fahrgäste schauen uns missbilligend an. Außer einer Frau mittleren Alters, die nickt.
    Ich antworte mit einem „Hm“, starre wieder auf mein Buch und unterdrücke einen leidvollen langen Seufzer. Das Komische ist, dass ich meistens gar nicht anderer Meinung bin als sie – ich würde dieses Buch wahrscheinlich sogar selbst lesen –, es geht nur darum, dass es ruhigere und würdigere Wege gibt, seine Einstellung kundzutun. Nach all diesen Jahren gelingt es Nedra immer noch, dass ich mich entsetzlich schäme. Man sollte ja glauben, dass ich mich inzwischen an ihre Ausbrüche gewöhnt habe. Habe ich aber nicht.
    Als Kind war ich sehr häufig geneigt, das Jugendamt anzurufen, um herauszufinden, wie der Adoptionsmarkt bezüglich dürrer, jüdisch-italienischer Mädchen von durchschnittlicher Intelligenz aussieht. Natürlich weiß ich, wie normal es ist, dass Eltern ihre Kinder blamieren. Aber auch hier gibt es Grenzen. Nedra jedenfalls lernte nie, wo die lagen.
    Nachdem wir aber schon geklärt haben, dass ich meine Mutter nicht umbringen werde, tue ich das, was mir als Erstbestes einfällt: Ich tue so, als ob wir nicht zusammengehören.
    Als unser Bahnsteig in Sicht kommt, rutscht mir mein Herz in die Hose und bleibt dort. Ich zerre die drei Taschen, in die ich das Wichtigste packen will, unter meinem Sitz hervor, was den Rest angeht, möchte ich Phyllis bitten, bei der Post vorbeizufahren, damit ich Paketkartons kaufen und alles per UPS nach Manhattan schicken kann. Natürlich würde es mehr Sinn machen, einfach einen Wagen zu mieten und den ganzen Kram so nach Hause zu bringen, aber weder Nedra noch ich haben einen Führerschein, nachdem wir beide in Manhattan aufgewachsen sind, wo Autos mehr eine Verpflichtung als eine Erleichterung darstellen.
    Greg hatte selbstverständlich drauf bestanden, dass ich den Führerschein mache, sobald ich umgezogen bin, und da ich blind vor Liebe war und nicht mehr alle Sinne beisammen hatte, legte ich ein unechtes Lächeln auf und antwortete: „Aber natürlich, Liebling.“ Er versuchte sogar, mir das Fahren beizubringen. Ein Mal. Belassen wir es einfach dabei, dass die Straßen ohne mich weitaus sicherer sind. Offenbar habe ich wenig Talent dafür, zwei Tonnen potenziell tödlichen Metalls anständig durch die Straßen zu lenken.
    Der Zug spuckt uns und unsere Taschen auf den Bahnsteig aus, wo wir beide sofort bemerken, wie schön es ist, zu atmen, ohne dass es sich anfühlt, als ob man einen nassen, modrigen Waschlappen vor dem Gesicht hätte.
    Der Zug fährt ab. Nun sind wir auffallend alleine auf dem Bahnsteig, um uns nur klare Luft und Vogelgezwitscher.
    „Hast du ihr gesagt, dass du um 11 Uhr 4 ankommst?“ fragt meine Mutter.
    Ich weigere mich, darauf zu antworten.
    „Das muss sich doch mit ihrem Friseurtermin überschneiden.“
    „Fang nicht so an“, antworte ich mit einem gequälten Seufzen, aber entweder hört sie nicht, was ich sage, oder beschließt einfach, nicht zu reagieren. Stattdessen trabt sie auf eine Bank zu, lässt sich darauf sinken, zerrt ihr Buch wieder aus ihrer Einkaufstasche und beginnt ruhig weiterzulesen. Etwa zehn Sekunden später erschrecke ich zu Tode, als eine männliche Stimme vom anderen Ende des Bahnsteigs aus meinen Namen ruft. Ich schieße herum, schütze mit einer Hand meine Augen vor der Sonne und verliere fast den Verstand, als ich einen großen Mann in Khaki-Shorts und einem Polo-Shirt entdecke, der auf uns zukommt.
    Ich schwöre, in diesem Moment, als ich dachte, es ist Greg, überlegte ich ernsthaft, mich auf die Gleise zu werfen. Nur dass der nächste Zug erst in einer Stunde einfährt, und als der Mann näher kommt, wird mir auch klar, dass sein Haar zu lang, seine Schultern zu breit sind. Es ist Bill, sein zehn Monate jüngerer Bruder.
    Das schwarze Schaf des Munson Clans. Oder in anderen Worten, ein

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