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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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vielen Demonstrationen; ihre Brüste hängen und schwingen; ihr Bauch ist rund, die Hüften wölben sich breit; ihre Hände sind groß und kräftig mit kurz geschnittenen Nägeln.
    Und trotzdem lässt sich nicht leugnen, wie faszinierend attraktiv sie ist. Sie bewegt sich mit der Zuversicht einer Frau, die sich in ihrem Körper und ihrer Weiblichkeit absolut wohl fühlt. Mein ganzes Leben lang habe ich mit ansehen müssen, dass Männer in ihrer Gegenwart wie hypnotisiert sind. Viele von ihnen wirkten wie vor den Kopf gestoßen, aber ich lernte schon sehr früh, respektvolles Begehren zu erkennen. Nicht dass ich selbst jemals Nutznießer einer solchen Reaktion gewesen bin – zumindest nicht in dieser Kombination. Es ist fast eine Schande, dass sie seit dem Tod meines Vaters nie mit einem anderen Mann ausgegangen ist. Sie besteht darauf, dass Liebe und Heirat und Männer Teil ihrer Vergangenheit seien, jetzt ist sie frei, ihr Leben ganz ihrer Arbeit zu widmen, ihren Zielen und, wenn ich mich nicht schnell genug wegducke, auch mir. Ja, sie ist eine eindrucksvolle Frau, sie ist jemand, den man instinktiv auf seiner Seite haben will – oder so weit weg von seiner Seite wie möglich –, doch ihre Sexualität ist so mächtig, so ungekünstelt und ursprünglich, dass sie locker als Modell für eine heidnische Fruchtbarkeitsgöttin durchgehen könnte.
    Die Unstimmigkeit über Kleidung wird einen Moment zugunsten des Streits über meine Wohnung hintenangestellt. Ich beobachte sie, wie sie mein Apartment inspiziert.
    Ich balle meine Hände zu Fäusten.
    „Ich kann noch immer nicht kapieren“, sagt sie, während sie die Einkaufstüten mit irgendetwas faszinierend Hartem darin auf die Küchentheke knallt, „warum du einem habgierigen Vermieter für eine so winzige Wohnung auch noch Geld in den Rachen stopfst. Ehrlich, Liebling – hier drin würdest du ertrinken, wenn du nur einmal niesen musst.“
    „Die Miete dieser Wohnung ist gesetzlich festgeschrieben“, antworte ich. „Was du sehr genau weißt. Und sie gehört mir.“ Und zwar in jeder Hinsicht. „Außerdem ist es verdammt noch mal gut, dass ich sie nicht aufgegeben habe, wenn man … die Sache … bedenkt.“ Ich räuspere mich. „Was ist in der Tüte?“
    „Ravioli. Nonna hat sie heute Morgen gemacht. Du weißt, dass du bei Nonna und mir wohnen könntest. Vor allem jetzt, wo ich meine ganzen Sachen ins Esszimmer geschafft habe, weil wir es ja eigentlich nicht mehr brauchen. Also gibt es jetzt ein freies Zimmer neben dem dritten Schlafzimmer, du könntest es als Büro oder Studio oder so benutzen. Ich meine, denk wenigstens mal darüber nach – selbst wenn wir die Miete teilen, überleg doch mal, wie viel Geld du sparen würdest und das für doppelt soviel Platz.“
    Vielleicht hätte ich doppelt soviel Platz, aber nur die Hälfte an Verstand. Ich gehe in die Küche und hole die Plastikdose aus der Tasche. „Klar. Sollen wir Wetten darüber abschließen, wer wen zuerst umbringen würde? Davon mal abgesehen, meinst du, ich nehme dir ab, dass diese Zimmer wirklich leer stehen?“
    Meine Kindheitserinnerungen sind überlagert von Bildern, wie ich permanent über irgendwelche vorübergehend obdachlosen Menschen stolpere, Freunde von Freunden von Freunden, die kurzfristig einen Platz brauchen, den sie verwüsten können, bevor sie ihre eigene Wohnung finden oder endlich Geld verdienen oder was für eine Entschuldigung auch immer gerade für ihre Landstreicherei auf der Tagesordnung stand. Ich habe mich nie daran gewöhnen können. Im Gegenteil, immer wenn ich mitten in der Nacht auf dem Weg zum Klo einen Fremden über den Haufen rannte, wurde ich noch wütender darüber, dass permanent meine Intimsphäre missachtet wurde. Und das ist vermutlich der Grund dafür, warum ich trotz der hohen Miete niemals einen Mitbewohner in Betracht gezogen habe. Zumindest keinen, mit dem ich nicht auch das Bett teile.
    Nedra weiß sehr gut, wie ich darüber denke und dass mich viel mehr als nur der normale Wunsch nach Unabhängigkeit aus ihrem Siebenzimmer-Nest vertrieben hat. Ich hatte nie das Gefühl, in meinem Zuhause zu leben – eher im Zuhause von anderen.
    „Ich mache das nicht mehr“, sagt sie leise. „Zumindest nicht mehr so oft.“ Ich schnaube und schüttle den Kopf. „Gut, natürlich schicke ich niemanden weg, der wirklich meine Hilfe braucht“, fährt sie fast ärgerlich fort. „Und überhaupt, Euer Hoheit, seit wann ist es ein Verbrechen, anderen Menschen zu

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