Männer und der ganz normale Wahnsinn
Arbeitszimmer. Ich finde, dass es an der Zeit ist, mich für das Benehmen meiner Mutter zu entschuldigen.“
Shelby zieht die Gabel aus ihrem rosigen Mund. „Was hat sie gesagt?“
„Nun, sie hat gelacht, was ich als Letztes erwartet hätte. Dann sagte sie, dass das einfach typisch für eine Mutter wäre, dass Nedra eben ihr Kleines beschützen wolle. Und dann meinte sie, sie kenne sich mit Frauen wie Nedra aus.“
Terrie schüttelt den Kopf, und ihre Zöpfe mit den kleinen Kügelchen dran erinnern mich allmählich an die Plastikperlen-Vorhänge einer wahrsagenden Zigeunerin. Aber sagen Sie ihr das bloß nicht. „Es gibt keine Frauen wie deine Mutter.“
„Das wollte ich auch sagen. Aber dann meinte sie … wie war das noch mal? Oh, genau …“, ich nehme noch einen Bissen vom Käsekuchen, „… dass sie seinerzeit im College schon immer mit diesen Feministinnen zu tun gehabt hätte, die der Meinung waren, dass sie sich prostituiere, weil sie an Schönheitswettbewerben teilnahm …“
Ich schweige einen Moment und denke kauend an Phyllis’ blassblaue Augen, die hinter den stark geschminkten Wimpern hervorschielten wie kleine, erschrockene Tierchen.
„Die haben eine Menge Lärm gemacht und Sprüche geklopft, diese Frauen, deren Familien für ihre Schulbildung aufkamen. Sie sprachen über Frauenrechte und schimpften, dass Leute wie ich die Frauenbewegung mindestens um drei Jahrhunderte zurückwerfen würden. Keine von denen hat sich jemals die Mühe gemacht, mich zu fragen, was ich wirklich denke, oder auch nur in Betracht gezogen, dass es vielleicht schlimmere Verbrechen auf der Welt gibt als eine Frau, die ihr gutes Aussehen benutzt, um voranzukommen.“
Ein Hauch von Verzweiflung, der mir noch nie zuvor aufgefallen war, lag in ihrer Stimme und in ihrem Gesichtsausdruck, selbst darin, wie ihr Make-up ein wenig zu sorgfältig aufgelegt war …
Terrie schlägt mir auf den Arm, ich erschrecke fürchterlich. „Hey. Komm wieder auf den Boden.“
Ich blinzle und erzähle, was Phyllis gesagt hat. Terrie öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wortlos wieder. Shelby nimmt sich stirnrunzelnd von dem Käsekuchen, solange noch was übrig ist. Während ich also das Gespräch so gut ich kann wiederhole, wird mir klar, dass dadurch etwas in mir angestoßen wird, ganz tief unter der Oberfläche, tief im Unterbewusstsein.
„Dann sagte sie, dass wir alle unsere eigenen Entscheidungen treffen müssten und es nicht wirklich wichtig sei, welche, solange man mit ihnen leben kann …“
„Ich glaube, da hat sie ziemlich Recht“, sagt Shelby.
„… viele Frauen würden heutzutage vergessen oder einfach nicht einsehen wollen, dass man manchmal den Eindruck erwecken müsse, als ob man zwei Schritte zurückgeht. Dann könnte man genug Energie tanken, um die Hindernisse zu überwinden, die Männer von Anbeginn der Zeit vor sich aufgerichtet haben.“
„Hm.“ Terrie nimmt sich ebenfalls ein Stück Käsekuchen, wobei auch sie sich dafür entscheidet, es aus der Schachtel direkt in den Mund zu schieben. „Klingt nach einer weißen Frau, die zumindest Entscheidungen treffen durfte.“
„Nicht so viele, wie man vielleicht glauben könnte“, antworte ich. „Sie kam schließlich aus keinem vermögenden Elternhaus. Weshalb sie überhaupt erst mit diesen Schönheitswettbewerben angefangen hat. Aber egal, das war auch nicht das Wichtigste, denn danach sagte sie völlig unerwartet, sie wolle mich nur wissen lassen, dass Greg mich nicht wegen einer anderen hat sitzen lassen.“
Zwei Paar Augenbrauen schießen gleichzeitig in die Höhe.
„Ich weiß“, sage ich. „In der Sekunde, in der sie das erwähnte, dachte ich, verdammt, versucht sie vielleicht, etwas zu vertuschen?“
Doch Shelby schüttelt den Kopf. „Nein“, sagt sie und schluckt dann. „Ich glaube auch nicht, dass er dich deswegen verlassen hat.“
Terrie und ich schauen sie nur an. Shelby kaut unbeirrt weiter.
Dann zwinkert Terrie mir zu. „Du würdest ihm aber am liebsten die Eingeweide rausreißen, stimmt’s?“
Bei diesen Worten sieht Shelby auf. Ich seufze. „Ich weiß nicht. Das sollte ich wohl. Ich meine, das würde ich auch, aber …“ Ich schaue eine nach der anderen an. „Ich schätze, im Moment bin ich einfach durcheinander. Und verletzt.“
Terrie zischt. Shelby nickt, obwohl ich genau sehe, dass das Ganze über ihren Horizont geht. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass sie und Mark jemals so ein Problem haben
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