Männer und der ganz normale Wahnsinn
macht.
Phyllis berührt die Haushälterin sanft am Arm und flüstert ihr etwas zu. Die Frau nickt, verschwindet durch eine zweite Flügeltür, die, wenn ich mich richtig erinnere, in die Küche führt. Die Terrasse ist nicht überdacht, liegt aber zu dieser Tageszeit noch im Schatten. Erst jetzt wird mir klar, dass ich noch nie hier draußen war. Wahrscheinlich war es bei meinen Besuchen immer zu spät oder zu kalt. Ich betrachte den „Garten“: Sollte es noch weitere Häuser hinter den üppigen Pflanzen geben, die das Grundstück säumen, dann sind sie nicht zu sehen. Ein Pool, der von Dutzenden Töpfen und Kübeln voller herrlich blühender Pflanzen umrandet ist, schimmert vor uns. Irgendwie glaube ich nicht, dass jemals jemand darin schwimmt.
Mir ist also vollkommen klar, dass ich in einer Scheinwelt zu Mittag esse. Doch das ist mir egal. Deswegen ist es nicht weniger friedlich und beruhigend. Davon abgesehen bin ich nach zwei Stunden in Begleitung meiner Mutter ziemlich verzweifelt.
Wir setzen uns. Concetta eilt hin und her, legt ein extra Gedeck auf und serviert geschickt den ersten Gang, frische Früchte in einer gezackten Honigmelonenhälfte, gefolgt von köstlichen Sandwiches aus frischem Roggenbrot. Nichts übertrieben Protziges. Wir beginnen einen qualvoll spröden Small Talk, bis Phyllis meiner Mutter aus Versehen das Stichwort gibt, auf das sie nur gewartet hat.
„Es ist für dich bestimmt sehr tröstlich, Ginger, zu diesen Zeiten deine Mutter bei dir zu haben.“
Ich kann spüren, wie meine Mutter sich für die Attacke rüstet, allerdings kann ich leider nicht schnell genug nach einem Stein greifen, um zu verhindern, dass sie zuschlägt. Ich versuche, sie warnend anzusehen, aber es hilft nichts.
„Wenn Sie“, sagt Nedra, „Ihrem Sohn beigebracht hätten, dass gesellschaftliches Ansehen noch lange keine Entschuldigung für Feigheit ist, dann würde es diese Zeiten gar nicht geben.“
„Nedra …!“
„Nein, Ginger, ist schon gut“, sagt Phyllis schnell, obwohl ihr Gesicht jetzt mindestens drei Schattierungen dunkler ist als ihre Bluse. Ihre linke Hand, die auf dem Tisch vor mir liegt, zittert leicht. Ich bemerke, dass ihr diamantener Ehering schief sitzt, weil er zu weit für ihre dürren Finger ist. Sie tut mir Leid – ich bin meine Mutter wenigstens gewöhnt. Sie nicht.
„Gregory hat uns alle blamiert, Mrs. Petrocelli. Ich versichere Ihnen, dass wir ihn nicht zu solcher Rücksichtslosigkeit erzogen haben, auch nicht dazu, sich wie ein Feigling zu benehmen. Ich habe nicht vor, Ihre Intelligenz zu beleidigen, indem ich Entschuldigungen für ihn suche. Sowohl sein Vater als auch ich schämen uns zutiefst für sein Benehmen …“ Sie sieht mich an und ergreift meine Hand. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie furchtbar Leid es mir für Ihre Tochter tut. Bob und ich haben sie wirklich sehr lieb gewonnen, uns zerreißt es das Herz, dass sie nun nicht unsere Schwiegertochter wird.“
Wow. Ich wusste ja, dass sie mich mochten, aber …
Wow.
Meine Mutter scheint genauso überrascht zu sein. Was ein seltenes Phänomen bei ihr ist, glauben Sie mir. Wäre ja zu schön, wenn der Blick, den ich ihr zuwerfe, etwas damit zu tun hätte. Sie wissen schon, dieser Blick nach dem Motto: Wenn du deine Enkel jemals wiedersehen willst, dann musst du dich jetzt entschuldigen. Okay, es gibt keine Enkelkinder. Noch nicht. Aber ich halte viel davon, im Voraus zu planen.
Dann fällt mir etwas anderes in ihrem Gesichtsausdruck auf, ein leichtes Kräuseln der Lippen, ein winziges Zusammenkneifen der Augen. Ein Ausdruck, der ganz klar bedeutet: Unsinn.
Mein Gesicht wird ganz heiß, als die Wut den Rest des Sandwiches und der Früchte in meinem Bauch verbrennt. Wie bitte? möchte ich schreien. Hast du ein Problem zu glauben, dass man mich vielleicht, nur vielleicht, wirklich mögen könnte?
Und während ich hier sitze und versuche, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen, höre ich, wie Nedra tief Luft holt und sagt: „Tut mir Leid. Das war nicht in Ordnung. Ich schätze, es ist nicht fair …“, sie schaut mich spitz an, „den Eltern die Schuld dafür zu geben, wenn ihre Kinder sich unvernünftig benehmen.“
Ich beiße ein Stück meines Roastbeef-Sandwiches ab und kaue, als hinge mein Leben davon ab. Hey – es war in keinster Weise unvernünftig, einer Heirat mit Greg zuzustimmen. Es gab nur einen einzigen unvernünftigen Augenblick in meinem Leben, und das war vor zehn Jahren in einer
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