Männer und der ganz normale Wahnsinn
einfach Informationen, weißt du?“ Er setzt sich gerade hin. „Natürlich kann ich dich trotzdem nicht davon abhalten, falls du einen Anwalt anrufen möchtest.“
Ich lache. „Lass mal überlegen … besitze ich eine Waffe? Nein. Wüsste ich überhaupt, wie man damit schießt? Nein. War ich irgendwo in der Nähe der 78. Straße zur Zeit des Mordes? Wieder nein.“
Ein halbherziges Lächeln umspielt Nicks Mundwinkel. „Hatte dieser Typ Verwandte, von denen du weißt?“
Irgendetwas, vermutlich die fehlende Leidenschaft in seiner Stimme, sagt mir, dass Nick diese Frage bereits ein Dutzend Mal gestellt hat. „Mir gegenüber hat er nie jemanden erwähnt, aber ich schätze, das hat nicht viel zu sagen.“
„Nein.“
„Es gab Liebhaber, das weiß ich, aber das hielt nie lange.“ Ich zögere. „Ich vermute du weißt, dass er schwul war?“
„Ja, das habe ich aus den anderen Befragungen heraushören können. Kennst du irgendwelche Namen dieser Liebhaber und wo sie sich aufhalten?“
„Keine Ahnung. Brice wurde nie sehr … persönlich bei der Arbeit. Zwar hat er seine Homosexualität nicht verheimlicht, er hat sie aber auch nie thematisiert. Ich schätze, er war der Meinung, dass das niemanden außer ihn etwas angeht.“
Er macht sich Notizen. Dann: „Kennst du jemanden, der etwas gegen ihn hatte?“
„Du meinst, ob er Feinde hatte?“
„Zum Beispiel.“
„Nun, niemand hat ihn besonders gemocht, wenn es das ist, was du wissen willst.“
Er schreibt das auf. „Und du?“
„Um Himmels willen, ich auch nicht. Er war ein kompletter Idiot.“
Unsere Blicke treffen sich. „Das könnte für dich belastend werden, weißt du?“
„Als ob ich etwas zu befürchten hätte. Hör mal, er hat seine Kunden wie Könige behandelt und seine Mitarbeiter wie Sklaven. Jeder in der Branche hat das gewusst. Vielleicht hatte er keine richtigen Feinde, aber auf jeden Fall hatte er auch keine richtigen Freunde.“
Er nickt, als ob er das schon vorher gehört hätte. „Seit wann arbeitest du für ihn?“
„Seit sieben Jahren.“
Nick kneift die Augen zusammen. „Du hast sieben Jahre für einen Mann gearbeitet, den du nicht magst? Wieso?“
Ich zucke die Achseln. „Das Geld. Prestige. Einfach gesunder Überlebensinstinkt.“
Wir werden vom Klopfen an der Tür unterbrochen. Der Sergeant sagt, dass mein Essen da sei. Ich gehe hinaus, bezahle den Boten und komme mit der Tüte zurück ins Zimmer.
„Ich habe dir ein Roastbeef-Sandwich bestellt“, erkläre ich. „Und Kaffee. Ich hoffe, das ist okay.“ Die folgende Stille lässt mich den Kopf heben. „Was ist?“ frage ich den offenbar sprachlosen Mann vor mir.
„Du hast mir was zu essen bestellt?“
„Ja. Na und?“
„Wieso?“
„Weil Essenszeit ist und ich dachte, dass du vermutlich Hunger hast?“
Er starrt mich weiterhin an, dann grinst er. „Versuchst du, einen Polizisten zu bestechen?“
„Nein. Zu füttern.“ Ich schiebe ihm das eingepackte Sandwich hin. „Da ist auch eine Gurke, wenn du die nicht magst, nehme ich sie …“
„Nein, nein, ich mag Gurken.“ Er starrt das Sandwich ungefähr so an wie Adam vermutlich den Apfel.
„He!“ Ich beuge mich über den Tisch und schiebe das Sandwich noch ein Stück näher zu ihm hin. „Ich bin Jüdin und Italienerin. Wenn du dich nicht beeilst, bekommst du nichts mehr ab.“
Nach einem kurzen Augenblick zeigt sich ein müdes Grinsen auf seinem Gesicht. Dann packt er begeistert das Sandwich aus und nimmt einen riesigen Biss. „Weißt du“, murmelt er mit vollem Mund, „ich werde ganz schön sauer auf dich sein, wenn sich herausstellen sollte, dass du die Mörderin bist.“
Die Befragung dauert vielleicht noch mal zehn Minuten. Ich sage Nick alles, was ich über Brice und sein Leben weiß, was nicht viel ist. Lässig in seinen Sessel zurückgelehnt und langsam kauend, beobachtet er mich – ich vermute einmal, um meine Körpersprache zu deuten –, wobei er gelegentlich etwas von dem, was ich sage, notiert. Irgendwie spüre ich, dass er seinen Job gut macht. Engagiert. Konzentriert. Selbstverständlich möchte ich nicht mit ihm tauschen, aber ich bewundere seine Hingabe.
Plötzlich lehnt er sich mit überkreuzten Armen in seinem Sessel zurück. „Gut, das war’s.“
„Wir sind fertig?“
„Für heute.“
Ich lange hinter mich, um meine Tasche von der Stuhllehne zu nehmen. „Hey“, sagt Nick sanft, „bist du in Ordnung?“
Als ich mich umwende, liegt ein besorgter Ausdruck auf
Weitere Kostenlose Bücher