Männer und der ganz normale Wahnsinn
Ja, ja, ich weiß, es ist nett von ihm, Essen mitzubringen, aber trotzdem fühlt es sich wie ein Schlag in den Magen an, dass er einfach so in meine heilige Privatsphäre eindringt. Stimmt schon, ich habe ständig Besuch, aber …
Das was Nick gerade getan hat, nämlich einfach so hereinzuplatzen, ist exakt der Grund dafür, warum ich mich für jemanden wie Greg entschieden hatte. Ich umgebe mich nicht gerne mit Menschen, die mich aus dem Gleichgewicht bringen. Und zumindest eines kann ich von Greg behaupten, er war überhaupt nicht der Typ für Überraschungen. Nun, von dieser Nummer, die er vor ein paar Wochen abgezogen hat, mal abgesehen. Aber trotzdem. Greg hat mich niemals eingeengt, weder körperlich noch geistig – und ich ihn auch nicht –, es sei denn, wir waren beide einverstanden. Und das fand ich sehr angenehm.
Was ich nicht sehr angenehm finde, ist … das hier.
Und jetzt? Vermutlich könnte ich Nick einfach dafür danken, dass er mir Geoffs Futter persönlich vorbeigebracht hat, und ihn und sein chinesisches Essen dann höflich, aber bestimmt aus der Wohnung weisen. Andererseits kann ich auch die Zähne zusammenbeißen und einfach mitmachen, was meinem knurrenden Magen auf jeden Fall entgegenkommen würde. Nachdem Nick inzwischen bereits den Tisch mit zwei Tellern und Servietten gedeckt hat und jetzt meine Schubladen nach Besteck durchwühlt, ist die zweite Möglichkeit wahrscheinlich die logischere. Auch wenn mir dabei der kalte Schweiß ausbricht.
„Warum?“ frage ich.
Nick schaut auf, zuckt mit den Schultern und öffnet den ersten Pappkarton. Er fischt irgendwas heraus – Rindfleisch vermutlich – und wirft es dem Hund hin, der es ohne zu kauen verschlingt. „Weil ich sowieso Feierabend hatte und dachte, da kann ich doch gleich selbst nach dem Hundefutter sehen, bevor ich jemanden damit beauftrage. Weil es schon bald Zeit fürs Abendessen ist, dachte ich, du wärst vielleicht auch hungrig. Und nachdem du mit mir keinen Kaffee trinken wolltest, sagte ich zu mir selbst, hey, warum sollte ich nicht einen Vorteil aus dieser Situation ziehen?“
Gegen meinen Willen muss ich an eine Situation denken, aus der wir vor zehn Jahren beide einen Vorteil gezogen haben.
Aber das ist zehn Jahre her. Und ich bin bereit zuzugeben, dass ich ihn damals dazu ermutigt habe. Aber jetzt ermutige ich ihn zu gar nichts. Davon abgesehen, dass ich nicht mehr dieselbe bin wie damals. Und Nick hat sich vermutlich auch verändert.
„Weiß denn …“, ich durchwühle mein Hirn nach dem Namen, „… weiß denn Amy Bescheid?“
„Ja, Amy weiß Bescheid. Ich habe sie angerufen und erzählt, was ich vorhabe. Wir treffen uns später noch, wenn ihre Schicht im Krankenhaus vorbei ist.“ Er zieht die Brauen zusammen. „Lass mich raten. Du magst keine Überraschungen.“
„Nicht sonderlich, nein.“
„Aha.“ Er trommelt mit seinen Stäbchen auf den Tisch und grinst. „Krass. Also setz dich. Iss. Du willst es doch.“
Ja, ich will es. Aber ich will es auch nicht.
Ich nähere mich dem Tisch. „Hast du kein Problem damit, dich mit einer möglichen Verdächtigen zu verbünden?“
Kopfschüttelnd setzt Nick sich hin und beginnt, Reis auf seinen Teller zu schichten. „Du bist keine Verdächtige. Dein Alibi haben wir überprüft. Hast du Mineralwasser oder Tee oder irgend so was?“
Mit finsterem Blick gehe ich zum Kühlschrank. „Aber ich sagte doch, dass ich alleine war. Hier in meiner Wohnung. Niemand hat mich gesehen. Ist Cherry Cola in Ordnung?“
Er verzieht das Gesicht, sagt aber: „Ja, gerne.“ Ich reiche ihm die Flasche. Er steckt einen anderen Löffel in den nächsten Pappkarton, rührt kurz darin herum, bevor er den Inhalt über seinen Reis kippt. Dann schaut er wieder völlig ausdruckslos zu mir hoch. „Weißt du, wenn du das nächste Mal hier drin nackt herumläufst, solltest du besser die Vorhänge zuziehen. Denn sonst bekommt der arme alte Kerl, der gegenüber wohnt, eines Tages noch einen Herzinfarkt.“
Als ich mich von dieser Neuigkeit erholt habe, gelingt es mir zu murmeln: „Mensch, ihr Typen arbeitet wirklich gründlich.“
„Ihre Steuergelder werden sinnvoll genutzt, Ma’am. Magst du Cashew-Hühnchen?“
Wow. Mir kommt das ein bisschen surreal vor, von wegen Freundschaft zwischen Mann und Frau, aber so langsam finde ich Gefallen daran. Nein wirklich. Nick ist schon seit zwei Stunden hier, und meine Brustwarzen haben sich nicht ein einziges Mal aufgerichtet. Ich meine, jetzt, wo
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