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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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offen lässt, um zu verzeihen, muss man noch lange kein Fußabstreifer-Typ sein, Nick.“ Ich beuge mich nach vorne, weil ich plötzlich kapiert habe, was ich fühle und was Phyllis versucht hatte, mir zu sagen. „Greg und ich passen gut zusammen. Wir erwarten dasselbe vom Leben, wir haben ähnliche Ziele, ähnliche Vorstellungen, ähnliche Ideale. Ja, ich bin verwirrt und wütend und verletzt, aber was er getan hat, passt so gar nicht zu seinem Charakter …“
    „In anderen Worten, Munson hat alles verkörpert, was dir in deiner Kindheit gefehlt hat.“
    Ich zucke zusammen und nicke dann. „Ja. Ich vermute, das war so. Ist so.“ Ich sehe ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Meinst du, das ist schlecht?“
    Nick kaut auf dem Ende seiner Frühlingsrolle und schüttelt mit gerunzelter Stirn den Kopf. „Ich denke, dass es für dich vielleicht einfacher ist, an etwas zu hängen, was du kennst, als etwas Neues auszuprobieren.“
    Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. „Sagt der Mann, der gerade erzählt hat, wie schwer es für ihn war, anderen wieder zu vertrauen, nachdem ihn seine Frau verlassen hat.“
    „Ich bin darüber hinweg“, sagt er grinsend. „Außerdem habe ich nie gehofft, dass sie zu mir zurückkommt. Was hätte das gebracht?“
    Ich lehne mich zurück und spiele mit einem schlaffen Stück Zwiebel auf meinem Teller. „Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie wenig normale Männer es hier gibt?“
    Er grinst. „Das fragst du ausgerechnet einen Polizisten?“
    „Dann solltest du verstehen, warum es nicht so leicht ist, ihn einfach gehen zu lassen.“
    Nach einem Augenblick sagt er: „Ich verstehe, dass du Angst hast, ihn gehen zu lassen.“
    Okay, es wird Zeit, das Thema zu wechseln. „Gibt’s denn schon irgendwelche Hinweise, wer Brice umgebracht haben könnte?“
    Er studiert einen Augenblick lang mein Gesicht. Muss sich erst an den Themenwechsel gewöhnen, vermute ich mal. Dann schüttelt er den Kopf. „Du weißt, dass ich darüber nicht sprechen darf, Ginger.“
    Ich hebe die Augenbrauen. Er seufzt.
    „Ich kann nur sagen, dass wir daran arbeiten.“
    „Und je länger es dauert, desto unwahrscheinlich ist es, dass der Fall gelöst wird.“
    Sein Blick frisst sich in meinen.
    „Das habe ich irgendwo gelesen“, sage ich.
    Er schiebt sich das letzte Stück Frühlingsrolle in den Mund und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Es ist komisch. Ich habe in der östlichen Bronx begonnen zu arbeiten. Damals waren Morde nicht gerade selten, aber wir wussten meistens ziemlich genau, nach wem wir suchen mussten. Das soll nicht heißen, dass die Fälle leicht zu lösen waren, aber zumindest konnte ich einiges dazu beisteuern, verstehst du? Dort handelte es sich nicht um besonders intelligente Täter. Hier hingegen kann ich die Tötungsdelikte pro Jahr an einer Hand abzählen. Aber nun haben wir es mit einer anderen Art von Mördern zu tun, mit solchen, die wissen, wie man seine Spuren verwischt.“
    „Willst du damit sagen, dass Brices Mörder vielleicht nie gefunden wird?“
    Er lächelt halbherzig. „Wenn ich das denken würde, würde ich morgen meinen Dienstausweis abgeben. Nein, das will ich damit nicht sagen. Was ich meine, ist, dass diese Fälle eine immer größere Herausforderung darstellen. Da ich nicht zu denen gehöre, die immer nach dem leichtesten Weg suchen …“ Er beendet den Satz mit einem Schulterzucken.
    Das Essen wird kalt, und unser Gespräch gerät ins Stocken. Es ist noch nicht ganz halb neun, als er aufsteht. Ich bringe ihn zur Tür und nehme zur Notiz, dass er nicht versucht, mich zu berühren, nicht einmal ein unschuldiges Streicheln über meinen Arm. Ich will ihn überreden, die Reste des Essens mitzunehmen – der Mann hat genug für sechs Leute eingekauft –, aber er weigert sich. Ich öffne die Tür. Er beugt sich hinunter, um Geoffs Ohren zu streicheln, dann sagt er: „Du hast nicht wirklich gesagt, was du denkst, oder? Als ich dir von Amy erzählt habe?“
    Ich lache überrascht und nervös auf. „Wie kommst du darauf?“
    Nick steht vor mir, seine Jacke über einen Arm geworfen, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Ich frage mich, was er mit seiner Pistole und dem Halfter gemacht hat. Sein Blick bohrt sich in meinen, weniger bedrohlich als … fordernd, irgendwie kann ich es nicht ganz definieren. Rasiermesserscharfe Erkenntnis schimmert wieder zwischen uns auf, aber auf einer Ebene, die sogar noch elementarer ist als Sex, wenn das überhaupt möglich

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