Männer und der ganz normale Wahnsinn
erreichen den Fahrstuhl. Curtiss verlagert das Futter auf die andere Hüfte, drückt den Knopf und ruft: „Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast!“
„Kein Problem.“
Der Fahrstuhl bleibt knirschend stehen, die Türen öffnen sich. Und als ich gerade schon befürchte, dass Geoff nicht einmal die Höflichkeit besitzen wird, ‚Auf Wiedersehen‘ zu sagen, wirft er den Kopf herum, sieht mich an, fiept einmal und trottet dann in den Fahrstuhl.
Die Wohnung kommt mir unerträglich leer vor. Und still. Was komisch ist, wenn man bedenkt, dass ich a) seit zehn Jahren alleine lebe, und zwar gerne alleine lebe, vor Geoff musste ich mich nicht einmal um einen Wellensittich kümmern und b) meine Nachbarn offenbar den Hahn schlachten wollen, zumindest deutet die Vibration der Zimmerdecke so etwas an. Aber wie die meisten New Yorker kann ich Lärm ganz gut ausblenden, selbst dieses wilde Spektakel.
Der Hunger treibt mich in die Küche, wo ich mir Gedanken über mein Abendessen mache. Ich muss ja schließlich bei Kräften bleiben. Mal sehen … ich durchwühle die paar rätselhaften Packungen, die in meinem Kühlschrank zittern.
Also da wäre irgendwelches Zeug, dessen Haltbarkeitsdatum vermutlich ewig überschritten ist, drei Löffel Nudelsalat, etwas in Alufolie, was ich nicht mehr erkennen kann, woraufhin ich es wieder einwickle und zurücklege. Und etwas Lasagne ist noch übrig, obwohl ich die nach drei Tagen eigentlich nicht mehr sehen kann. Aber – und das ist endlich mal eine gute Nachricht – ich habe noch eines von den leckeren Baguettes gekauft und kann deshalb noch ein paar Scheiben Knoblauchbrot zubereiten.
Also. Ich stelle eine Portion Lasagne in die Mikrowelle, schneide das Brot auf, verteile Knoblauchpaste darauf, um es in den Backofen zu packen …
Was zum Teufel bedeutet dieser seltsam … klirrende Ton? Ja … es kommt definitiv aus dem Backofen. Neugierig öffne ich die Tür …
Irgendetwas kommt herausgeflogen und prallt von meiner Brust ab. Ich kreische, werfe mich rückwärts über die kleine Trittleiter und sehe gerade noch ein graues Etwas über meinen Küchenboden flitzen und hinter den Geräten verschwinden.
Ich brauche etwa eine Minute. Dann kreische ich erneut, springe auf und ab und fahre mir mit allen zehn Fingern durchs Haar, während ich unkontrolliert zittere und mir vage bewusst darüber werde, wie sehr ich gerade meinen über mir wohnenden Nachbarn ähnle. Als die Hysterie etwas abebbt, lasse ich mich auf die Trittleiter fallen, lausche meinem hämmernden Herzen und schaue immer wieder auf die Schublade, an der Geoff die ganze Zeit gekratzt hatte. Wahrscheinlich haben die Viecher die ganze Zeit verstohlen hinter ihren kleinen pelzigen Pfötchen gekichert. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht hat die Nähe zum Backofen ihren Übermut etwas gebremst.
Ich versuche mir einzureden, dass ich mir den Geruch nach verbranntem Mäusefell nur einbilde.
Ich gebe den Plan, Knoblauchbrot zu machen, auf – das hätten Sie doch wohl auch getan, oder? –, esse die Lasagne, die drei Löffel Nudelsalat und eine halbe Portion Schokoladeneis, schlüpfe dann in meinen Schlafanzug und stelle die Glotze an, vor der ich wie ein Zombie hocke (abgesehen vom gelegentlichen Zusammenzucken, wenn ich mir einbilde, dass Nagetiere durch die Wohnung jagen), bis ich in den frühen Morgenstunden endlich einschlafe. Ich habe nicht einmal den Fernseher ausgeschaltet oder das Sofa ausgezogen, das stelle ich fest, als ich zu unbarmherzig früher Stunde höre, wie jemand immer wieder gegen meine Tür hämmert.
„Was zum Teufel …“, brülle ich.
„Raus hier!“ höre ich eine männliche Stimme schreien. „Die Wohnung über Ihnen brennt!“
10. KAPITEL
J etzt rieche ich den Rauch und beginne zu würgen. Schnell schlüpfe ich in meinen Morgenmantel und in das erste Paar Schuhe, das ich finde (und das sind zufällig die Sandaletten mit den Plexiglasabsätzen), schnappe Handtasche und Laptop von der Küchentheke und mein Handy vom Schaukelstuhl und renne aus der Wohnung. Der Flur ist voll gestopft mit etwa einer Million fluchender und kreischender Nachbarn, die ineinander rennen, überall aufgeregte Kinder und alte Leute, die im Kreis gehen wie aufgezogenes Spielzeug.
Während ich den Morgenmantel zubinde, meinen ganzen anderen Kram umklammert halte und versuche, in diesen blöden Schuhen nicht umzukippen, dauert es noch zwei oder drei Sekunden, bis ich wach werde. Ich beobachte zwei Feuerwehrleute, die in
Weitere Kostenlose Bücher