Maenner weinen nicht
kaum noch in der Lage, für seine Familie zu sorgen oder sich um seinen Job zu kümmern. Dazu die Unruhe und die Schlaflosigkeit.
Kaum ein Begriff hat zuletzt für so viel Furore gesorgt wie der des »Burnout«. Journalisten interpretierten Statistiken, beleuchteten Symptome und porträtierten Betroffene. Nachbarn, Kollegen, Freunde – jeder hatte etwas dazu zu sagen oder kannte jemanden, der »ausgebrannt« war. Burnout wurde zur gesellschaftsfähigen Diagnose. Auch die Fachwelt meldete sich zu Wort. Doch die Experten aus Psychologie und Psychiatrie beobachten die Diskussion um den durch den Job ausgelösten Erschöpfungszustand mit gemischten Gefühlen. Richtig, psychische Leiden bräuchten mehr Aufmerksamkeit, vor allem bei Männern. Doch warum eine solche Aufregung um das Burnout? Woran leiden diese Männer wirklich? Wer hat tatsächlich ein Burnout, und wer bekommt eine Depression?
Noch immer werden Burnout und Depression zu oft miteinander verwechselt, selbst von Ärzten und Psychologen. Als Synonyme verwendet. Das Burnout als kleineres Übel betrachtet. Und genau das macht der Fachwelt Sorgen. Der Psychiater und Depressionsexperte Manfred Wolfersdorf warnt eindringlich vor der inflationären Nutzung des Begriffes: »Burnout ist ein Etikettenschwindel.« Weder sei das Burnout eine eindeutige Diagnose, auf die eine bewährte Therapie folgen könne, noch gebe es einheitliche, Burnout-spezifische Symptome.
Doch Ausgebranntsein ist in unserer Leistungsgesellschaft salonfähig. Wer einmal brannte, hat in diesem leistungsorientierten System schon einmal bestens funktioniert. Und ein Burnout lässt vermuten, dass sich der Betroffene besonders verausgabt und überdurchschnittlich engagiert hat.
Jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet hierzulande unter Stress. Zu diesem Ergebnis kam eine im März 2012 publizierte repräsentative Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nahezu zwei Drittel der Befragten klagten darüber, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren zugenommen habe und sie in gleicher Zeit mehr erledigen müssten. Jeder Vierte müsse für seinen Arbeitgeber in der Freizeit erreichbar sein. Viele Arbeitgeber dächten zudem in der Freizeit über berufliche Probleme nach oder gingen krank zur Arbeit. Ganz ähnlich sieht es in den deutschsprachigen Nachbarländern aus: In der Schweiz ist rund ein Drittel der Erwerbstätigen gestresst, in Österreich etwa 27 Prozent.
Aus diesem Überengagement am Ende geschwächt hervorzutreten, das kann Mann sich gerade noch eingestehen – nicht aber, dass er an einer Depression erkrankt ist. Kein Mensch, geschweige denn Mann, möchte mit Depressionen in Zusammenhang gebracht werden. Dieses Urteil würde die Betroffenen in die Nähe von Losern und Versagern rücken.
Ein ganz ähnliches Phänomen habe es früher, in den 1960er und 1970er Jahren, schon einmal gegeben, sagt Psychiater Wolfersdorf. Damals habe man die Beschwerden »emotionale Erschöpftheit« genannt, auch das sei allemal gesellschaftsfähiger gewesen, als von einer Depression zu sprechen.
Burnout hat sich hierzulande zur Volkskrankheit entwickelt – und ist trotz der international klingenden Bezeichnung doch vor allem ein deutsches Phänomen. Ein paar Jahre zuvor waren es noch die Rückenschmerzen, die an vorderster Stelle bei den Krankmeldungen standen. Oder die Leute litten unter Magenbeschwerden und Schlafstörungen. Niemand ließ sich wegen Überforderung und Stressbelastung krankschreiben. Inzwischen sind es zumeist Burnout-Fälle, die Deutschlands Krankenkassen und die Wirtschaft rund 43 Milliarden Euro jährlich kosten.
In anderen Ländern kennt man den durch den Job ausgelösten Erschöpfungszustand eigentlich nur bei Gesundheitsberufen. Das wiederum ist historisch bedingt: Der Begriff Burnout wurde in den 1970er Jahren in den USA wiederholt im Zusammenhang mit Pflegeberufen genannt. So stammt auch die erste wissenschaftliche Publikation zum »Ausgebranntsein« aus dem Jahr 1974 von einem Amerikaner, dem Psychologen und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger. Vor 40 Jahren beschrieben er und wenig später die Sozialpsychologin Christina Maslach von der University of California die typischen Anzeichen: emotionale Erschöpfung und eine veränderte Einstellung zur Arbeit, etwa indem sich Betroffene von ihren Patienten oder Klienten distanzieren, von ihnen genervt sind und sie als lästig empfinden.
Das Phänomen, das vor 40 Jahren erstmals Eingang in die Literatur fand, ist
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