Maenner weinen nicht
bis heute in Pflege- und Sozialberufen weit verbreitet. Eine große Studie, vorgestellt von Linda Aiken von der Schwesternschule der Universität Pennsylvania in Philadelphia und Walter Sermeus von der Katholischen Universität Leuwen in Belgien, zeigte, dass das Pflegepersonal in Europa und den USA sehr unzufrieden ist. Die Ergebnisse variierten von Land zu Land: Jede fünfte niederländische Schwester und jede zweite in Griechenland wollten sich gemäß der 2012 erschienenen Publikation im nächsten Jahr einen neuen Job suchen. In Deutschland waren es vier von zehn Pflegekräften. Zwischen 10 Prozent der Pflegekräfte in den Niederlanden und knapp 80 Prozent in Griechenland gaben an, ausgebrannt zu sein. Hierzulande war es knapp ein Drittel. Die Frustration der Pfleger und Schwestern, so die Vermutung der beiden Autoren, sei besonders von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Landes beeinflusst. In Deutschland könnte der gestiegene Druck seit Einführung der Fallpauschalen für die schlechten Ergebnisse verantwortlich sein.
Wie aus dem Burnout eine Depression wird
Um es noch deutlicher zu machen: Mehr als 130 Merkmale fallen unter den Begriff Burnout. Die häufigsten sind körperliche und geistige Erschöpfung, Antriebsschwäche und Gleichgültigkeit. Viele dieser 130 Anzeichen überschneiden sich mit den Beschwerden einer Depression. Wer also auf einem Burnout-Fragebogen viele Punkte erziele, so Wolfersdorf, erlange bei einem Depressionstest ein ganz ähnliches Ergebnis. Kein Wunder, sind beide doch häufig identisch. Letztlich ist das Burnout eine Depression mit besonderen Charakteristika.
Vergleich Anzeichen Burnout und leichte bis mittelschwere Depression (Auswahl)
Burnout
Depression
Ich fühle mich körperlich unwohl und krank.
Ich kann mich kaum zu etwas aufraffen, habe an nichts mehr Interesse und kann keine Freude mehr empfinden.
Ich schlafe schlecht.
Ich habe Schlafstörungen und Morgentiefs.
Ich rege mich über Kleinigkeiten auf, die mich früher kaltgelassen haben.
Ich reagiere oft aggressiv und fühle mich sehr unausgeglichen.
Ich werde von einer unerklärlichen Unruhe geplagt.
Ich bin sehr unruhig und fühle mich getrieben.
Ich fühle mich sehr erschöpft.
Ich bin oft erschöpft, ermüde schnell und fühle mich kraftlos.
Manchmal erkenne ich mich selbst kaum wieder.
Ich bin oft niedergeschlagen und habe wenig Selbstvertrauen.
Ich betreibe exzessiv Sport.
Ich habe keinen Appetit und habe Gewicht verloren.
Ich trinke regelmäßig Alkohol, um mich zu entspannen.
Ich habe Suizidgedanken, denn ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.
So wird immer klarer: Menschen leiden heute anders und häufiger als früher an psychischen und seelischen Leiden, und hinter vielen körperlichen Erkrankungen stecken persönliche Krisen. Dass das Burnout die Epidemie der Neuzeit geworden ist, dazu haben auch Prominente beigetragen. Ganz gleich, ob es die Fußballtrainer Felix Magath und Ralf Rangnick sind, Starkoch Tim Mälzer oder der SPD -Politiker Matthias Platzeck, ihr gemeinsames Fazit lautet: »Ich habe meine Kräfte überschätzt.« Dabei sind viele der prominenten Burnout-Patienten wohl genau wie Christoph Haller eigentlich depressiv.
Gleichzeitig warnt Wolfersdorf vor dem Umkehrschluss: Nicht alle Menschen, die an Kraft- oder Antriebslosigkeit, an Schlafstörungen und permanenter Erschöpfung leiden, sind auch depressiv. Vielmehr sollten sie die psychischen und körperlichen Anzeichen als Warnung sehen: »In der Burnout-Phase lässt sich in den meisten Fällen noch die Notbremse ziehen.« Wer die Anzeichen erkennt, Wege aus dem Teufelskreis findet und sich professionelle Hilfe holt, hat gute Chancen auf Selbstheilung. Wer sich aber wie in unserem Beispiel Christoph Haller immer weiter in die Spirale aus Arbeit und Erschöpfung hineintreiben lässt, gefährdet ernsthaft seine Gesundheit.
Burnout – ein uraltes Phänomen
Der erste VIP mit Burnout, der in die Annalen einging, lebte im 13. Jahrhundert vor Christus: Mose war von seiner Führungsposition bei der Volkswanderung derart angespannt und überfordert, dass selbst sein Schwiegervater die Gefahr erkannte: »Die Sache ist nicht gut, die du tust. Du reibst dich auf.« Offenbar lebte Mose im Dauerstress: Angreifer erschwerten dem Volk Israel das Leben. Kritiker in den eigenen Reihen machten Mose zu schaffen, die monotone Verpflegung wurde angeprangert, das Volk dürstete. Was wird bloß als Nächstes passieren?, mag Mose sich gefragt haben. Irgendwann
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