Maenner weinen nicht
sind. Der Skispringer Sven Hannawald erlebte sein persönliches Waterloo als erfolgreichster Skispringer aller Zeiten und auf dem Zenit seines Ruhmes. Der Ausnahme-Skispringer gewann bei der Vierschanzentournee 2001/2002 alle Springen. Die Zuschauer feierten ihn wie einen Rockstar. Hannawald wurde zum Idol einer Nation. Auch die Saison 2002/03 verlief für den jungen Skispringer aus Erlabrunn erfolgreich. Doch schon im nächsten Winter riss sein Glücksfaden; Hannawald fühlte sich zunehmend erschöpfter und beendete die Vierschanzentournee nur als Zwölfter.
Seine Fans reagierten gnadenlos auf den Leistungsknick: In einer Umfrage sank seine Beliebtheit von 85 auf 57 Prozent. Nachdem er es im Februar 2004 beim Weltcup-Springen in Zakopane nicht ins Finale unter die ersten 30 schaffte, beendete Hannawald die Saison vorzeitig. Damals ahnte das Jahrhunderttalent noch nicht, dass das der letzte Skisprung-Wettbewerb seiner Ausnahmekarriere gewesen war.
Hannawald bekannte sich zwar nie zu einer Depression, sondern sprach immer nur von Burnout. Die Symptome, über die er berichtete, sprechen jedoch dafür, dass er depressiv war. Das halbe Jahr nach dem vorzeitigen Saisonende sei es mit ihm bergab gegangen, erzählte Hannawald im Gespräch mit SpiegelTV . Er habe sich müde, ausgepowert und körperlich am Ende gefühlt. Zwischendurch habe er gehofft, dass sich die Erschöpfung wie eine Grippe auskurieren lasse. Doch ihm fehlte die Lust am Springen, er hatte keinen Antrieb mehr. Hannawald nahm sich eine Auszeit, begab sich für mehrere Wochen in eine Klinik und galt danach als geheilt. Allerdings kehrte er nie wieder zum Skispringen zurück. Im Rückblick erklärt sich der 1974 im Erzgebirge geborene Ex-Skispringer seinen psychischen Absturz mit dem hohen Anspruch an sich selbst und dem Wunsch, niemanden enttäuschen zu wollen.
Auf Bewegung und Adrenalin wollte Hannawald trotz der negativen Erfahrungen im Sportlerzirkus nicht verzichten. Seit 2005 fährt er Autorennen, seit der Saison 2010 fest beim ADAC GT Masters, einer deutschen Automobil-Rennserie.
Doch Hannawalds Fall zeigt noch mehr: Möglicherweise war der Anfang des Endes eine Knochenhautentzündung des rechten Schienbeins im Winter 2002. »Sportler leben mit der permanenten Angst, sich zu verletzen und den Anschluss zu verlieren«, sagt Sportpsychiater Markser. Die Angst raube Körper und Seele die Kraft. Von einem erhöhten Depressionsrisiko speziell bei schweren und die Karriere bedrohenden Verletzungen gehen auch Renee Appaneal und ihre Kollegen vom Sportpsychologischen Institut der Universität North Carolina in ihrer Studie aus dem Jahr 2009 aus. Die Zeit als Athlet ist begrenzt. Deshalb würden Sportler es als extrem belastend erleben, wenn sie sich verletzen und nicht trainieren können. Immerhin kann dies das vorzeitige Karriere-Aus bedeuten. Zumindest aber heißt es, sich immer wieder neu motivieren zu müssen, die Zähne zusammenzubeißen und Trainingsrückstände aufzuholen. Bei jedem fünften bis zehnten Sportverletzten treten behandlungsbedürftige Stimmungsstörungen auf, vor allem Depressionen, schätzten der Sportpsychologe Britton Brewer und seine Kollegen vom Springfield College in Massachusetts, USA , in einer Studie, die sie 1995 veröffentlichten.
Auch erfolgreiche Radprofis leiden in dem harten Geschäft. Ein Beispiel: Marco Pantani. Er gewann im Jahr 1998 zunächst den Giro d’Italia und schließlich die Tour de France. Sechs Jahre später verstarb er einsam in einem Hotelzimmer, neben sich mehrere leere Packungen Antidepressiva. Ursächlich für seinen Tod war jedoch laut Obduktionsbericht eine Überdosis Kokain.
Die Auslöser für eine Depression können auch indirekt mit dem Sport zusammenhängen. So nahm sich der 28-jährige belgische Radprofi Dimitri De Fauw 2009 das Leben. Seit einem Radunfall drei Jahre zuvor soll er unter Depressionen gelitten haben. Damals war er mit dem spanischen Radfahrer Isaac Gálvez Lopez kollidiert, und dieser war infolge der erlittenen Verletzungen verstorben.
Und im Jahr 2010 informierte Jan Ullrich die Fans via Internet, dass die Ärzte bei ihm ein Burnout-Syndrom diagnostiziert hätten, »das eine wohl längere Behandlung erfordert«. Ihn hatten wahrscheinlich die Folgen der gegen ihn erhobenen Dopingvorwürfe krank gemacht: der Druck der Öffentlichkeit und des Radsportverbandes, die zähen Gerichtsverhandlungen.
Als ihn der Internationale Sportgerichtshof CAS im Februar 2012 wegen Dopings zu zwei
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