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Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanz Loeffler
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pikanten Details. Ribéry verlor in den Folgemonaten auf dem Spielfeld mehr als einmal die Nerven, sicherlich auch aufgrund der öffentlichen Häme. Immer wieder rastete der Franzose aus, wirkte unkonzentriert und angeschlagen – vieles sprach bei Ribéry für eine starke seelische Belastung. »Wenn man Spielern in derartigen Ausnahmesituationen keine psychotherapeutische Hilfe anbietet, riskiert man sowohl die Gesundheit des Spielers als auch wirtschaftliche Nachteile für den Verein«, sagt Sportpsychiater Markser.
    Die Franzosen haben Ribéry seinen moralischen Fehltritt bis heute nicht verziehen: Fast die Hälfte der Befragten sprach sich in einer Untersuchung im Januar 2011 gegen seine Rückkehr in die französische Nationalmannschaft aus, nur ein Drittel war dafür. Welche Spuren das immense öffentliche Interesse, die Vorverurteilungen und die öffentliche Kritik bei dem Spieler hinterlassen haben, lässt sich nur erahnen. Noch immer legen Vereine und Verantwortliche viel zu selten die schützende Hand über ihre Athleten, sondern geben sie stattdessen der öffentlichen Hetzjagd preis.
    Einsamkeit
    Erfolgreichen Sportlern fehlt es häufig an echten Freundschaften: Einerseits könnten diese sich ja als falsche Kumpel entpuppen, die lediglich hoffen, dass ein wenig Glanz des Sportlerfreundes auch auf sie abstrahlt. Andererseits hat jemand, der am Tag viele Stunden trainiert, kaum Zeit, Freundschaften zu pflegen. Markser empfiehlt deshalb, wichtige soziale Kontakte von früher und vor allem die familiären Bande nicht abreißen zu lassen. Wer ständig in der Weltgeschichte unterwegs ist und aus dem Koffer lebt, braucht eine gut funktionierende Basis – die erdet und wo die sportliche Leistung nicht im Vordergrund steht.
    Doch diese engen Bindungen werden zunehmend früher gekappt: »Vereine nehmen Sportler immer jünger unter Vertrag«, beklagt Markser. So sicherte sich der VfL Wolfsburg dank Felix Magath die Dienste eines 13-Jährigen vom FC St. Pauli. Zuvor wechselte ein Gleichaltriger von Tennis Borussia Berlin zu 1899 Hoffenheim. »Diese Entwicklung birgt Risiken für die jungen Sportler und die Vereine, da die jungen Sportler viel zu früh aus ihrem familiären Umfeld gerissen werden«, meint Markser.
    Studien belegen eindrücklich, dass das Risiko für seelische Störungen steigt, je früher man mit dem Profisport beginnt. Dennoch muss allein der Weltfußballverband FIFA jedes Jahr über 1000 Anträge von Vereinen entscheiden, ob diese minderjährige Spieler unter Vertrag nehmen dürfen; etwa 300 davon winken die Funktionäre durch. Dadurch werde viel zu früh störend in die seelische Entwicklung eingegriffen, sagt Markser. Hier schaffe sich der Sport selbst neue Probleme.
    Ein weiteres Manko: Viele der Sportler haben außerhalb des Sports kaum Interessen. Doch ein Sportler, der nichts außer Sport kann und nichts außer Sport hat, ist bereits ein gefährdeter Sportler, so Markser. Dennoch kümmern sich nur wenige während ihrer Karriere um das, was nach dem Sport kommt. Fällt der Sport als Geldquelle weg, stehen deshalb viele vor dem Nichts. Kein Wunder also, dass die Angst vor Verletzungen so groß ist – wer keine Leistung bringt und für die Folgejahre nicht vorsorgen kann, dem droht der soziale Abstieg. Um das zu verhindern, kümmern sich Marksers Patienten alle um das Leben nach dem Sport und machen eine Berufsausbildung oder ein Studium – auf Drängen ihres Therapeuten. In den Sportverbänden hat sich diese Form der Vorsorge bislang noch zu wenig herumgesprochen.
    Perfektionismus und Ehrgeiz
    Erfolg im Sport und eine gewisse Portion Ehrgeiz gehören zusammen. Denn Leistungssportlern geht es nicht darum, einfach nur dabei zu sein, nein, sie trainieren für den großen Erfolg auf dem Treppchen. Mitunter sind jedoch die Ansprüche, die sie an ihre persönliche Leistung haben, zu hoch. Und nicht selten löst diese Diskrepanz depressive Symptome aus. Leistungsorientierte Sportler bewegen sich daher ständig in einem Spannungsfeld zwischen dem, was sie gerade erreicht haben, und dem, was noch vor ihnen liegt. Sie fühlen sich also kontinuierlich überfordert. Pausen und Zeit, um sich zu erholen, gibt es nicht; das nächste Turnier wartet direkt im Anschluss an das letzte.
    »Perfekt sein und hart arbeiten ist das Credo der heutigen Gesellschaft, insbesondere unter Sportlern«, sagt Sportpsychiater Markser. Doch wer sich nur über die eigene Leistung definiert, wer Sport zum Selbstzweck praktiziert,

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