Maenner weinen nicht
Jahren Sperre für jegliche Aktivitäten im Radsport verurteilte, wehrte sich Jan Ullrich nicht mehr dagegen. Im Gegenteil, er schien erleichtert, »weil ich das Thema endgültig beenden möchte«. Es habe ihn über Jahre so sehr belastet, dass er krank geworden und zusammengebrochen sei, gab Ullrich nach dem Urteil in einer Presseerklärung bekannt. Schon 2007 hatte sich der Wahlschweizer komplett aus dem Profiradsport zurückgezogen.
Teufelskreis Training
Fehlender Appetit und innere Unruhe, Reizbarkeit und schnelle Erschöpfung, Schlaflosigkeit und Gewichtsverlust – wer diese Anzeichen liest, denkt vielleicht an eine Depression. Sie können aber auch auf ein sogenanntes Übertrainingssyndrom hinweisen, eine Störung, die typisch ist für Leistungssportler, aber auch ambitionierte Hobbyathleten oder Freizeitsportler ereilt. Neben den psychischen Veränderungen berichten die Sportler auch über körperliche Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen, Nachtschweiß und Kopfweh. Sie können sich nicht zum Training aufraffen, klagen über Konzentrationsschwierigkeiten und verletzen sich häufiger.
Für die Autoren Lawrence Armstrong und Jaci van Heest hängen Depression und Übertraining eng zusammen. Beide gehen mit ähnlichen Symptomen einher, bei beiden ändern sich die Konzentrationen von Botenstoffen im Gehirn und Stresshormonen im Blut. Die Forscher vermuten daher, dass Depression und Übertraining dieselbe Ursache haben. Anders ausgedrückt: Erhalten Sportler die Diagnose Übertrainingssyndrom, sind sie wahrscheinlich auch depressiv.
Deshalb lässt sich das Übertraining nicht einfach durch einen veränderten Trainingsplan »behandeln« und durch Trainingspausen auskurieren. Betroffene brauchen neben einem individuellen Trainingsplan auch Antidepressiva sowie psychotherapeutische Angebote. Nur dann lernen die angeschlagenen Sportler, mit eigenen und fremden Leistungsansprüchen umzugehen, und können sich aus ihrem körperlichen und seelischen Tief befreien.
Das Übertrainingssyndrom trifft dabei vor allem Sportler, die auf Ausdauer trainieren: Profifußballer, Langstreckenläufer, Triathleten oder Schwimmer. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Queensland in Brisbane, Australien, beschrieb das Phänomen bei jedem fünften Athleten einer australischen Schwimmmannschaft. Eine andere Studie zeigte, dass zwei von drei Langstreckenläufern mindestens ein Mal in ihrer Karriere ein Übertrainingssyndrom haben. Und Geoff Lovell, Sportwissenschaftler von der Universität Gloucester, untersuchte mit Kollegen den Stimmungswandel von Fußballprofis im Verlauf einer Saison. Zum Vergleich befragten die Wissenschaftler auch Amateure, Sonntagsspieler und Nicht-Spieler. Das Ergebnis: Am Anfang der Saison fühlten sich die Profis am allerbesten. Zum Ende hin klagten sie besonders häufig über Anspannung, Wut und Depressionen und fühlten sich antriebs- und energielos. Die Autoren machten für die miese Stimmung mehrere Dinge verantwortlich: Konkurrenz, Wettbewerb und die fehlende Erholung in einem Sportbetrieb, der seine Spieler durch immer mehr Wettbewerbe, eine verlängerte Saison und ein erhöhtes Trainingspensum verheizt.
Ein Phänomen, das bei weitem nicht auf die Britischen Inseln beschränkt ist: Schon 1992 berichteten Michael Lehmann und seine Kollegen vom Sportmedizinischen Institut der Universität Freiburg bei mehr als 50 Prozent der Fußballspieler in der Verbandsliga von einem Übertrainingssyndrom am Ende der Saison.
Erfolg hat seinen Preis
Popularität
Erfolgreiche Sportler haben sich über die letzten Jahrzehnte immer mehr als Medienmagneten entpuppt. Fußball, Leichtathletik, Schwimmen – diese Sportarten sind seit jeher beliebt. Doch mittlerweile kann man im Fernsehen auch stundenlang Triathleten, Marathonläufern oder Eis-Curlern beim Kampf um den Sieg zuschauen. Spitzensportler verkörpern wie keine andere »Kategorie Mensch« gleichzeitig Idol und Ideal, nämlich den gesunden, leistungsfähigen, jungen Athleten.
Anfänglich genießen viele noch die Aufmerksamkeit. Doch nach einer Weile nervt der Anspruch der Masse, über jeden Schritt und jede Äußerung ihres Halbgottes im Trikot informiert zu werden. Die Öffentlichkeit schaut dabei umso kritischer auf die Leistungsträger, je mehr Geld sie verdienen. Beispiel Franck Ribéry: Das bayrische Fußballass bestellte sich 2009 eine minderjährige Prostituierte aufs Hotelzimmer. Ein gefundenes Fressen für die Presse, sie stürzte sich auf die
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