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Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanz Loeffler
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unter Funktionären und Sportmedizinern. Doch wie verarbeiten Sportler den hohen Erwartungsdruck tatsächlich? Sie rennen, werfen, stoßen, schwimmen oder radeln unzählige Stunden, Tage, Monate und Jahre – und oft liegt der ganz große Erfolg nur wenige Millisekunden, nur eine Handbreit oder einen einzigen Korb entfernt. Nicht selten bleibt er ihnen am Schluss dann doch verwehrt. Wie verkraftet der Leistungssportler es, seinen Körper über Jahre zu Höchstleistungen zu trimmen – und am Ende keine Lorbeeren zu ernten?
    Neben ihrer Begabung und einer stoischen Ausdauer beim Training müssen sie wohl außergewöhnlich stark und robust sein, quasi unverwundbar. Körperlich mag das stimmen, seelisch ist jedoch oft das Gegenteil der Fall. »Tatsächlich treten psychische Erkrankungen unter Sportlern mindestens genauso häufig wie in der Normalbevölkerung auf, einige sogar überdurchschnittlich oft«, erklärt Valentin Z. Markser. Der Kölner Psychiater und Psychotherapeut behandelte einst Robert Enke, den depressiven Torwart von Hannover 96. Zudem ist der Mediziner Mitbegründer des Referats »Sportpsychiatrie und -psychotherapie« bei der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde ( DGPPN ).
    Dieses Referat wurde notwendig, so Markser, da der Sport viele außergewöhnliche Belastungen bereithält: Leistungsdruck, die Angst vor Verletzungen und Niederlagen rütteln an der Seele der Recken. Und nicht nur die Niederlagen bereiten seelische Probleme, auch die Erfolge sind für die Athleten strapaziös. Seit jeher stehen die sportlichen Leistungen der Erfolgreichen im Fokus des Interesses. Neu ist aber, dass die Öffentlichkeit auch wissen will, wie es im Privatleben ihrer Idole aussieht.
    Einerseits leiden Sportler also unter dem psychischen Stress, der durch den ständigen Leistungsdruck und die Erwartungen seitens der Trainer, Funktionäre und Fans besteht. Andererseits gibt es unter den Athleten auch sensible Menschen, die mit dem Sport eine Möglichkeit gefunden haben, ihre Ängste oder Depressionen zu bekämpfen, glaubt Markser. »Sie nutzen den Sport, um mit ihren Stimmungsschwankungen besser klarzukommen.« Muhammad Ali beispielsweise, einer der bedeutendsten Schwergewichtsboxer aller Zeiten, litt unter diversen Ängsten: Wegen seiner Flugangst fuhr er lieber 3000 Kilometer mit dem Auto, statt ins Flugzeug zu steigen. Kam er ums Fliegen nicht herum, ließ das Schwergewicht sich von seiner Mutter begleiten. Auch das Publikum ängstigte den starken Mann. So soll die Boxlegende einst gesagt haben, dass ihn nicht der Gegner im Ring nervös mache, sondern die Leute, die dem Kampf zuschauen.
    Psychiater Markser war selbst einst Handballprofi und weiß, wovon er redet: Der Alltag im Spitzensport ist weitaus brutaler als in der restlichen Gesellschaft. Dennoch schaut der Durchschnittsbürger zu den Sportlern auf. Was er nicht weiß und sieht: Die Athleten sind noch abhängiger von ihren Vereinen als Otto Normalverbraucher von seinem Arbeitgeber. Wer seine Leistung nicht im rechten Moment abrufen kann, ist für den nächsten internationalen Wettkampf gestrichen, drückt die Auswechselbank oder geht am Ende der Saison ohne Anschlussvertrag nach Hause. Schwäche und depressive Beschwerden vertragen sich eben nicht mit Höchstleistungen.
    Und selbst wenn Sportler wie Deisler, Biermann & Co. psychische Schwierigkeiten zugeben, gelten sie schnell als sensible Außenseiter, die eben nicht robust genug sind für dieses harte Geschäft. Dass das mehr als nur ein Klischee ist, wird bei Äußerungen wie der von Franz Beckenbauer, Präsident des 1. FC Bayern, deutlich: Bevor offiziell wurde, dass Bayernspieler Sebastian Deisler an einer Depression erkrankt war, kommentierte Beckenbauer, der Deisler sei eben einer, »der sich verkriecht und sich über seine Wehwehchen beklagt«.
    Wer hat bei so viel »Mitgefühl« schon die Stärke und den Mut, sich zu outen – in einer Lebenssituation, in der er ohnehin besonders verletzlich ist? Männern fällt es noch mal schwerer, sich in der leistungsorientierten Sportwelt zu ihrer Krankheit zu bekennen. Mehr noch als in der restlichen Bevölkerung werden hier männliche Rollenmodelle strapaziert, zusätzlich verstärkt durch die ohnehin von Leistung, Kraft und Stärke geprägte Situation im Leistungssport.
    Auch deshalb verbarg der Fußballtorwart von Hannover 96, Robert Enke, seine Depression. Im Sommer 2009 informierte er Verein und Öffentlichkeit noch

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