Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
Vom Netzwerk:
Wohin sollen sie gehen?
    Als wir eintraten, erhob sich Charley schuldbewußt. »Was ist los?« fragte ich ihn.
    »Der patrón will sie fortjagen.«
    »Jetzt schon?«
    Charley zuckte die Achseln. Irgend etwas an seinem Glasauge störte mich. Was mochte er den Mädchen gesagt haben?
    »Kann er ihnen denn keine Atempause gönnen? Das ist doch schrecklich!«
    »Sein Geschäft geht zugrunde, sagt er. Auch für ihn ist’s schrecklich.«
    Eigensinnig saßen die drei, wie Mieter, die der Delogierung trotzen.
    Man wird sie nur gewaltsam von hier wegbekommen, sagte ich mir.
    Da hörte ich Harry zu Charley flüstern: »Gäbe er ihnen wenigstens für diese Nacht noch ein Zimmer …« Zu spät jedoch versuchte er das Gesagte zurückzunehmen. Sein Mitleid überraschte mich, ich hätte es nicht erwartet, auch Dolores nicht. Sie sah ihn nicht an.
    »Es ist hoffnungslos«, erklärte Charley.
    »Dein Mundwerk geht ja doch sonst so verdammt gut …«
    »Verwaiste bringen Unglück, sagen die Leute hier. Noch immer sind sie Heiden.« Trotz allem hatte ich das Gefühl, Charley steuere eigenmächtig etwas Bestimmtes an. Ich bemerkte, wie er Harry kühl abwägend ansah.
    Wie verschreckte Hündchen, die auf Erbarmen warten, schienen die beiden Jüngeren, Caterina und Carmen, den Tränen nahe. Ich sah auf ihre so täuschend frischen Gesichter und fragte mich, ob im Bett ihre Liebhaber je Erbarmen gekannt hatten. Wie gräßlich, sich vorzustellen, daß sie schon so verdorben waren, in einem Alter, in dem Gringo-Mädchen noch wie Blumen blühen. In Lateinamerika beginnt der Lebenskampf mit Hunger. Für Sex gibt’s keine Anlaufzeit.
    »Worauf, zum Teufel, warten sie noch?« fragte Harry.
    »Sie wissen nicht, wohin sie gehen sollen.«
    »Mach keine dummen Witze!«
    »Es bleibt ihnen nur die Straße.«
    »Dorthin gehören sie ja, früher oder später.«
    »Harry, ich bitte dich, halt dich zurück!« sagte ich.
    Er ging zur Theke hinüber und setzte sich, wobei er uns den Rücken kehrte. Er war sichtlich aufgebracht. In all den Jahren, die ich ihn kannte, hatte ich ihn noch nie so wütend gesehen.
    Ich folgte ihm nach. »Was ist in dich gefahren?« fragte ich. Merkwürdig, seine Augen waren seitlich gerichtet, das störte mich. Ich verfolgte seinen Blick und bemerkte, daß er im Spiegel hinter der Theke die Mädchen beobachtete. »Harry, du darfst dich nicht so gehenlassen!«
    »Ach was! Sie sind mir widerlich!«
    »Und das gibst du ihnen zu verstehen, nicht? Harry, das ist nicht nett von dir!«
    »Nett? Was soll das?« fragte er, als hätte ich ein unverständliches Wort einer fremden Sprache gebraucht.
    »Sie sind jung, hilflos«- und verwaist.«
    Er schwieg. Da ging ich hinauf, ein Bad zu nehmen, doch Charley war mir vorausgerannt und wartete oben auf mich. »Senhor Juan, was ist los mit ihm?« Aufgeregt packte er mich am Arm. An diesem Abend waren alle etwas sonderbar.
    »Laß mich los!«
    »Senhor Juan, antworten Sie doch, bitte!«
    »In Salem verbrannten die Puritaner einst Hexen. Das ist’s!«
    »Hexen?« Ich hatte ihn verwirrt. Nachdenklich zog er sein Gesicht in Falten. Plötzlich verstand er. »Er ist Puritaner?«
    »Erraten!«
    »Senhor Juan, Sie sind verrückt!«
    Ich sagte kalt: »Ich rate dir, vor deinen Vorgesetzten mehr Respekt zu haben!«
    »Trotzdem: Sie sind verrückt!«
    Charley war ruhig und aufgeregt zugleich, was schwierig ist.
    Kalt und triumphierend blickte er auf Harry, während ihm vor Aufregung der Schweiß übers Gesicht rann. »Schauen Sie ihn an, rasch!«
    Ich sah hinunter. Es war ein ungewöhnlicher Blickwinkel, denn ich sah nur Harrys Backenknochen über dem Bierglas. Er setzte es ab, aber sein Ausdruck verblieb: Noch immer starrte er in den Spiegel, betrachtete er heimlich die Mädchen. Charley flüsterte: »Nun? Sind Sie blind? Bemerken Sie was?«
    »Ja«, murmelte ich.
    »Er ist doch ein Mann wie alle anderen. Es gärt in ihm.« Charley kicherte. »Er verlangt nach ihr.«
    »Welche will er?«
    »Dolores natürlich.«
    »Der Teufel soll mich holen, wenn …«
    »Uns alle wird der Teufel holen, denn keiner von uns ist vollkommen!« krähte Charley. Er schien befriedigt. »Jetzt wird alles glattgehen. Und Sie werden sehen, Senhor Juan, ich bekomme von den Männern im Camp noch einen Orden für meine Verdienste!«
    Für ein Bad gab es nur wenig Wasser, und das war rostigbraun, mit winzigen Algen darin. Kaum saß ich in der Wanne, rüttelte es an der Tür. Es war Charley, der mich schon wieder verfolgte. »Sind Sie

Weitere Kostenlose Bücher