Maenner wie Tiger
naß?« schrie er.
»Du meinst wohl, man sitzt trocken in der Wanne?«
»Kommen Sie hinunter, Senhor Juan! Rasch!«
»Laß mich in Ruh!«
»Bitte, Senhor Juan! Trocknen Sie sich rasch ab!«
»Was ist geschehen?«
»Der patrón hat …« Die Worte gingen unter im Knall zersplitternden Glases. Ich legte mir ein Handtuch um und öffnete die Tür. Charley sagte schreckerstarrt: »Jesus! Sie haben ihm das Fenster eingedroschen.«
»Welches Fenster? Und wer?«
»Das Fenster des Lokals. Die Mädchen taten’s, weil er sie auf die Straße gesetzt hat.«
»Das wird ihn wenigstens christliche Barmherzigkeit lehren«, sagte ich. Ich hörte unten gellende Schreie, sie kamen vom Patio und mischten sich mit dem Kreischen der Musikbox. Da trocknete ich mich rasch ab und zog mich an. Charley wartete auf dem Treppenabsatz. Er leckte sich die Lippen. Diesmal geht alles zu schnell, sogar für ihn, dachte ich. Er zerrte mich ans Geländer, damit ich hinunterschauen könne: Ich sah den wütenden patrón, sein zeterndes Weib, rundherum Glassplitter. Durch das gezackte Loch, das einst das Fenster gewesen war, starrten die Mädchen herein. Ich hörte, wie Dolores der patróna die schrecklichsten Sachen sagte. Caterina und Carmen weinten still vor sich hin und schichteten die Bündel auf dem Gehsteig. Eines klaffte.
Harry saß noch immer an der Theke. Den bringt nichts aus der Ruhe. Unglaublich, daß er sich nicht gerührt hat, sagte ich mir. »Das ist ein Land der Leidenschaften«, sagte ich zu Charley und fuhr mir mit der Hand übers Haar. Er hatte mir keine Zeit gelassen, es zu trocknen. »Wir wollen uns nicht hineinziehen lassen.«
»Ich dachte, Sie haben ein mitleidiges Herz.«
»Ja, für mich selbst, wenn’s darauf ankommt. Aber was macht dich plötzlich so ritterlich?« Da fielen mir die Worte ein, die er kurz zuvor gesagt hatte: Ich bekomme von den Männern im Camp noch einen Orden für meine Verdienste. »Warum kümmerst du dich nicht um deine eigenen Sachen, du Kuppler?«
»Das ist kein schönes Wort!«
»Gib deine Pläne auf! Dreh kein Ding, sonst verbrennst du dir noch die Finger!«
»Senhor Juan, Menschen sind in Not!«
»Mädchen sind für dich keine Menschen, nur Tiere fürs Bett.«
»Sie also wollen hier oben bleiben und zusehen, wie …«
»Scher dich fort!« Er war so falsch wie ein Gummibusen. Ich verlor einen Pantoffel, er fiel durchs Geländer. Ich ging hinunter, ihn zu holen, und fühlte mich wehrlos so mit nackten Füßen. Bevor ich noch etwas tun konnte, sagte Harry über seine Schulter hinweg: »Halt dich heraus!« Den gleichen Rat hatte ich Charley gegeben.
»Harry! Einer muß doch etwas tun!«
»Was aber?«
»Um Christi willen, du kannst doch nicht dasitzen und zuschauen!«
»Warum nicht? Bis jetzt ist’s mir nicht schlecht bekommen.«
»Harry, die Polizei wird kommen …«
»Das ist nur richtig. Schau dir das Fenster an!«
Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Szene, die sich ihm im Spiegel bot. Aber er war blaß, und auf seiner Oberlippe saß ihm der Schweiß wie Tau. Er trank sein Bier aus, das Glas klirrte, als er es niederstellte. »Hast du noch immer nicht genug von ihnen?« fragte er mich.
»Nein, von ihnen nicht, aber von dir.«
»Du bist ein bißchen alt für diese Rolle, Juan!«
»Was erlaubst du …«
»Geh hin, wenn du dir eine blutige Nase holen willst, du Kavalier!«
Hinter uns tobten sie wie die Wilden. Der patrón war auf die Straße gelaufen und schrie gellend. Im Ort gab es nur einen einzigen Polizeisergeanten, einen unsoldatischen Mann, der, wie das Gerücht ging, mit der Frau des Metzgers schlief, so sich Gelegenheit bot. Als ich den Metzger aus der gegenüberliegenden Bar kommen sah, um zu schauen, was es gäbe, konnte ich mir denken, wo die Polizei, die gesamte nämlich, steckte. Bis sie erscheint, wird der patrón wohl mehr als einmal schreien müssen, dachte ich. Die Menschenmenge draußen schien sich nicht einmischen zu wollen, in San Juacinta hat jeder genug eigene Sorgen. Die patróna klaubte die größeren Glasstücke zusammen und versuchte verzweifelt, sie in das Loch zu passen. Dolores stand daneben und sah ihr verächtlich zu.
Sie war jetzt ganz ruhig, sah aber erschöpft aus. Als überlegte sie, wo sie Hilfe finden könnte, suchten ihre Augen einen Halt, suchten mich, suchten Charley, aber Harry suchten sie nicht. Dann ging sie zu ihren Schwestern hinüber und hob die Sachen auf, die aus dem Bündel gefallen waren. Die Verschnürung wollte nicht
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