Maenner wie Tiger
halten.
Ich sagte zu Harry: »Und was dich betrifft, so ist dein Ärger ganz unnötig.«
»Was redest du da?«
»Warum holst du sie dir nicht ins Bett und kommst darüber hinweg?«
Er starrte mich an.
»Man kann es dir vom Gesicht ablesen«, fuhr ich fort. »Du vergibst dir dabei nichts. Deshalb sind sie doch da, nicht? Das hast du selbst oft genug behauptet.«
»Schau, daß du fortkommst!«
»Du auch. Wenigstens wirst du dann wieder normal.« Barfuß, wie ich war, tastete ich mich vorsichtig durch die Glasscheiben zum patrón hin und sagte: »Hören Sie mit dem Geschrei auf! Es ist sinnlos. Man kann aus einem Stein kein Blut pressen.«
»Mein schönes Fenster!« klagte er.
»Die Mädchen haben kein Geld. Was kostet es?«
Er nannte mir eine Zahl. Charley flüsterte mir ins Ohr:
»Warten Sie, Senhor Juan, lassen Sie mich mit ihm sprechen …«, und nannte mir nach kurzem Feilschen einen wie durch ein Wunder stark reduzierten Betrag.
»Schön, ich bezahle. Das bringt mich nicht um.«
»Ich wußte es ja, Senhor Juan: Sie sind ein mitfühlender Mensch.«
»Und weißt du, was du bist?«
»Nicht das, was Sie vorhin sagten.«
»Ach was! Hol’ dich der Teufel!«
»Warum ärgern Sie sich so, Senhor Juan? Man kann doch das Geld nicht mit in die Grube nehmen.«
Auch Charley berührte das Schicksal der Mädchen, doch beitragen wollte er nichts, das bemerkte ich. Er war jetzt ganz fahl im Gesicht. Nachdenklich betrachteten seine Augen Dolores und ihre Schwestern, dann flitzten sie zu Harry. Für kurz zeigte auch Charley Erbarmen: Er holte aus dem gegenüberliegenden Lokal Bindfaden und half Dolores, das geplatzte Bündel zu verschnüren.
Dann verstaute er die Bündel in einer Ecke des Patio und sagte zu den Mädchen: »Fassen Sie sich! Setzen Sie sich doch!« Und dann sagte er zu mir: »Darf ich den Mädchen einen Drink kaufen?«
»Auf wessen Kosten?«
»Ich verdiene nicht so viel wie ein Geologe.«
»Also gut, von mir aus …«
»Kommen Sie auch zu uns herüber, Senhor Juan?«
»Du bist mir so verdächtig freundlich.« Die Aufregung hatte mich ermüdet, ich setzte mich zu ihnen. Die Menge verlor sich. Die patróna kehrte die Scherben in den Rinnstein, und als sie fertig war, tat sie etwas Bösartiges: Sie riß den Laubkranz von der Tür und warf ihn auf die Straße. Es schien nicht länger notwendig, böse Geister zu vertreiben, die verwaisten Mädchen waren draußen.
»Kanaillen!« rief sie ihnen zu und ging hinein.
Dolores zitterte. »Ich hatte momentan den Kopf verloren«, sagte sie. Der Schock wirkte noch. Daß sie bei ihrer Jugend schon so viel mitmachen mußte, schien mir ungerecht. »Es tut mir leid, daß wir Sie so viel Geld kosten. Aber man sucht doch ein wenig Güte auf dieser Welt«, fuhr sie fort.
»Suchen Sie sie nicht zu sehr. Und erwarten Sie sie nicht zu oft.«
»Wir fanden sie bei Ihnen.«
»Ich bin eben senil, vielleicht habe ich momentan auch den Kopf verloren. Nehmen Sie einen Drink« – der patrón hatte uns die Gläser auf den Tisch geknallt –, »es wird Ihnen guttun!«
»Danke.«
Ich dachte: Ob Harry an der Theke den Stuhl gerückt hat, damit er uns weiterhin im Spiegel beobachten kann? Ich war dessen nicht ganz sicher.
»Alle Menschen sollten gut zueinander sein«, bemerkte Caterina schüchtern. Anscheinend war sie ein sehr argloses Mädchen.
»Ja, das ist das allererste Gebot im Leben«, stimmte Charley ein. Er war nicht so arglos. Wenn er humanitäre Anwandlungen hatte, war es Zeit, sich vor ihm in acht zu nehmen.
Carmen nippte an ihrem Drink. Der Likör war schlecht, und sie schnitt eine Grimasse. Ich dachte: Du solltest die Kunst, sich zu verstellen, lernen, wenn du in deinem Gewerbe etwas wert sein willst. Ein Mann, der sich sein Vergnügen kauft, erwartet strahlende Augen, ein aufmunterndes Lächeln und einen willigen Körper. Wie jung waren sie doch! Es wird noch Jahre dauern, bevor sie es zu dicken Hüften und zum unvermeidlichen Flaum über der Oberlippe bringen. Jetzt sind sie gerade im richtigen Alter, um wie taubenetzte, frisch gepflückte Früchte auszusehen – dachte ich weiter und vergaß, wie oft und wie roh man sie bisher gepflückt hatte. Und dann dachte ich: Sicher vertragen sie auch ein paar rauhe Worte. Ich sagte daher zu Dolores: »Sie werden jetzt für sich allein sorgen müssen. Es tut mir leid, daß Ihre Mutter …«
»Ach, wir erwarteten es eigentlich schon seit Monaten.«
»So?«
»Wir wußten, es konnte nicht ewig so
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