Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
passen würde: Man sieht Farah Seifried im Profil, vor allem aber ihre Hand in Großaufnahme, die vor einer schmalen, in eine Decke gehüllten Gestalt herumwedelt. Nicole bleibt im Hintergrund und ist trotzdem zentral. Der Titel muss so sein, dass er auch bei uns in der Chefetage akzeptiert wird. Also knallig. Und trotzdem treffend.
„‚Magazin‘ – exklusiv: Nicole packt aus!“
Ich schüttle wütend den Kopf und lösche ihn wieder. Das klingt, als hätte sie etwas zu gestehen.
„‚Magazin‘ – exklusiv: Jetzt redet Nicole!“
Schon besser.
„Jetzt redet Nicole!“
und kleiner darunter:
„Exklusiv im ‚Magazin‘!“
Das passt. Die nächsten zwei Stunden arbeite ich konzentriert. Es macht mir Spaß, unser Gespräch im Fußballerheim verständlich, aber ohne inhaltliche Verzerrungen rüberzubringen. Darum geht es eigentlich.
„Wo dieses Gespräch stattgefunden hat, muss geheim bleiben. Auch deswegen, weil Nicole Moser seit Tagen von sensationsgierigen Reportern gejagt wird. Vieles, was ihr in den letzten Tagen unterstellt wurde, hat mit der Realität nichts zu tun. Wir geben der Studentin, die beinahe vergewaltigt wurde, die Chance zu sagen, wie es wirklich war. Und was sie bewegt.“
Der Titel im Blattinneren wird:
„Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen!“
Ihre Schlussbotschaft habe ich in einen Rahmen gestellt:
„Wir Frauen dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Nicht von gewalttätigen Männern. Nicht von den Medien. Und auch nicht von einem Buch wie ‚Sei ein MANN!‘“
Ich habe Wort für Wort geschrieben, was sie mir gesagt hat. Stopp. Mist. Der letzte Satz. Jana wollte nicht, dass man das Buch erwähnt. Nicole hat den Satz geändert. Beinahe hätte ich es übersehen. Gar nicht gut. Ich will ja, dass Nicole sieht, dass ich alles in ihrem Sinn mache. Ich fahre das Band ein Stück zurück.
„Nenn das Buch nicht“, höre ich Jana etwas verschwommen sagen. „Du machst mit jeder Nennung Werbung dafür.“
„Ja. Das stimmt.“ Das ist Nicole. Kurze Pause. „Nicht von einem Buch, das Männer auffordert, in jeder Beziehung die Sau rauszulassen.“
Okay, so lautet der Satz. Ich tausche ihn aus.
Selbst wenn ich eine offizielle E-Mail-Adresse von Nicole hätte, ich hätte Bedenken, ihr das Interview zu schicken. Was wäre, wenn es jemand abfangen würde? Soll ich in den winzigen Ort an der niederösterreichisch-tschechischen Grenze fahren? Ich weiß nicht einmal genau, wo er liegt. Außerdem hat sie mir ja geschrieben, dass sie schon weg ist. Stimmt das? Und: Wo ist sie dann?
Ich hinterlasse Jana an allen möglichen Orten Nachrichten. Sie soll sich ganz schnell und ganz dringend bei mir melden.
Vielleicht finde ich Jana bei „frauen.com“. Ich habe freilich keine Ahnung, wer dort mit wem in Verbindung steht. – Werde ich schon neurotisch? Kann sein. Aber kein Wunder. Jana hat mir die Nummer von Sandra Alman gegeben. Die wollte ich ohnehin anrufen. – Was, wenn Jana und Vesna gemeinsam mit Nicole unterwegs sind? Ins nächste, hoffentlich sichere, Versteck? Ich seufze und wähle. Die Leiterin von „frauen.com“ geht sofort dran.
Nein, es tue ihr leid, sie habe keine Ahnung, wo Jana stecke. Sie selbst sei auch gar nicht in Wien, sondern in Italien.
„Haben Sie mitbekommen, was hier los ist?“
„Sie meinen, in diesem Vergewaltigungsfall? Natürlich. Ich bin erst gestern weg. Und ich bin ja auch nicht aus der Welt.“
„Für morgen ist eine Großdemonstration geplant.“
„Hoffentlich wird sie wirklich groß. Ich hab die Infos schon über meinen Verteiler geschickt. Und die bei ‚frauen.com‘ machen das natürlich auch.“
„Aber Sie werden nicht dabei sein?“
„Das geht sich leider nicht aus, ich fahre erst am Morgen danach zurück.“
„Was …“
Sandra Alman lacht. „Sie fragen sich, was ich in Italien tue, während es daheim Frauendebatten und eine wichtige Demo gibt. Na ja. Die paar Tage waren lange geplant. Ich treffe meinen Bruder, der in Rom lebt. In Treviso. Einer wirklich hübschen Stadt im Veneto.“
„Kenne ich, ich liebe das Veneto“, rufe ich nahezu begeistert, setze an, mit ihr über Essen, Campari statt Aperol und einiges mehr zu reden, und rufe mich in letzter Sekunde zur Ordnung. „Wir sollten über den Fall sprechen.“
„Tut mir leid, jetzt nicht. Ich werde gleich abgeholt. Wir besuchen eines der Lieblingsweingüter meines Bruders. Er ist Weinhändler.“
Ich habe eine Idee. Sie hat gesagt, sie fährt übermorgen früh zurück.
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