Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
iPhone, um das die Kopfhörer gewickelt waren. Sie dröselte das Kabel auf und steckte einen Hörknopf in Arnos Ohr.
»Dann hören Sie sich das mal an. ›Old Ideas‹! Jetzt hab ich’s verstanden, jetzt nach dem Film habe-ich-es-verstanden. Er konnte natürlich nicht wissen, dass es diesen Film gibt. Der ist ja auch nichts für Männer, wie gesagt. Nummer 10.
Different Sides.
Hören Sie?«
Arno nickte. Der greise Cohen sang schon gar nicht mehr, die Melodie überließ er den Backgroundsängern. Er rezitierte nur den Text, mit einer Stimme allerdings, von der Arno sich nicht sicher war, ob sie wie die vom späten Johnny Cash schon aus dem Grab kam oder ob Cohen damit nur kokettierte.
We find ourselves on different sides
Of a line nobody drew
Though it all may be one in the higher eye
Down here where we live it is two
»Jetzt der Refrain. Verstehen Sie den Refrain?«
Wieder nickte Arno. Sie hatte sich den zweiten Hörknopf in ihr Ohr gesteckt, weshalb sie Arno so nah kam, dass er ihren feuchten Atem an seinem Hals spürte.
Der alte Punzennässer deklamierte den Refrain.
Both of us say there are laws to obey
Yeah, but frankly I don’t like your tone
You want to change the way I make love
But I want to leave it alone …
Sie riss sich und Arno die Hörstöpsel aus den Ohren, wickelte sie wieder um ihr iPhone, steckte beides zurück in die Handtasche und empörte sich in eine imaginäre Richtung. »
There are laws to obey!
Alles klar.
But frankly I don’t like your tone!
Das kannst du laut sagen. Dein Ton passt mir auch nicht, du Lügner!«
»Warum erzählen Sie mir das eigentlich alles?«
»Weil Sie dann meinen Wunsch besser verstehen. Ich möchte, dass Sie mit mir schlafen.«
So direkt hatte das noch keine von Arno eingefordert. Da er damit nicht umzugehen wusste, spielte er erst mal auf Zeit.
»Sie sollten sich jetzt nicht verpflichtet fühlen, mir als Entschädigung für den Schlag etwas Gutes tun zu müssen.«
»Wenn ich mit Ihnen schlafe, werden Sie das unter Garantie nicht als Entschädigung empfinden. Und wenn doch, dannGeld zurück. – Quatsch. Vergessen Sie’s. Blöde Idee. Da sehen Sie mal, was der Kerl aus mir macht!«
»Sie wollen es diesem Frank mit gleicher Münze heimzahlen und ich bin die Münze.«
»Frank belügt mich. Wie oft habe ich ihn gefragt, ob es da eine andere gibt. Ständig! Jedes Mal ein verlogenes, stures, freches Nein. Dabei macht er ihr noch Geschenke!«
»Dann sagen Sie doch auch einfach nein, wenn Frank Sie nach anderen Männern fragt.«
»Ein wahres Dementi. Wie toll ist das denn?«
»Ich soll also mit Ihnen schlafen, damit Sie Ihren Mann mit einer wahren Lüge belügen können.«
Sie sah ihn einen Moment stumm an. Dann riss sie ihm das Pflaster von der Backe. »Nehmen Sie erst mal dieses blöde Ding da weg. Das gibt Ihnen so was sinnlos Heroisches.« Die Haut, auf der das Pflaster geklebt hatte, brannte. »Vielleicht haben Sie ja auch jemand, den Sie anlügen wollen.« Da käme momentan nur ich selbst in Frage, dachte Arno.
Seit seine letzte Beziehung an eben diesem Irrtum gescheitert war, weigerte sich Arno, Sex für etwas anderes als für Sex zu halten. Noch verlogener als dabei einen Orgasmus vorzutäuschen galt es ihm, beim Sex Liebe zu simulieren. Das wenigstens war bei der Kinobesucherin nicht gefordert. Insofern gab er sich an diesem Abend mit wachsender Begeisterung der unverbindlichen Intimität hin, genoss die kleinen Machtspiele, die sie mit ihm anstellte, während sie es überall in seiner Wohnung trieben. Als sie endlich erschöpft und stumm auf seinem Bett lagen, hatte Arno seit langem wieder das Gefühl zu schweben, aus der Zeit gefallen zu sein.
Sie stand auf. »Ich geh mich mal duschen.«
»Wäre für die Lüge ungeduscht nicht besser? Ihr Mann könnte dann Ihren und meinen Schweiß noch riechen.« Erwunderte sich, wie selbstverständlich er beim »Sie« geblieben war.
»Frisch geduscht wird ihn noch misstrauischer machen. Verwischte Spuren erzählen zwei Geschichten: die Tat, die Spuren hinterließ, und die Verwischung. Ich hoffe, Sie benutzen nicht das gleiche Duschgel wie wir.«
Fertig angezogen kam sie aus dem Bad, neigte sich zu Arno hinab, der immer noch auf dem Bett lag, küsste ihn kurz auf die Stirn. »Tschüss dann.«
»Tschüss. War doch eine Lüge wert, oder?«
»Na hoffentlich.« In der Tür drehte sie sich noch mal kurz um. »Ich heiße übrigens Sibylle.«
»Arno«, sagte Arno.
Die Semesterferien dauerten noch sechs
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