Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
man sich nicht Dummzeug von den Schwiegereltern, oder?« Sibylles Stimme klang gelangweilt ruhig. Sie schien die Szene zunehmend zu genießen. Kein Wunder, sie hatte sie schließlich selbst entworfen.
»Und weshalb nennst du ihn dann Punzennässer?«, fragte Frank seine Frau.
Arno wunderte sich. »Sie nennt mich Punzennässer? Wo denn?«
Ohne ihn anzublicken, holte Frank aus seiner Jackentasche ein Blatt Papier, entfaltete es und klatschte es Arno auf den Tisch. »Hier bitte. Sibylles E-Mail an Sie. ›Mein geliebter Punzennässer, wie wäre es heute gegen fünf im Cuba Livres? Du weißt doch: It’s love’s illusions I recall. I really don’t know love at all. Emma.‹ Wieso eigentlich ›Emma‹, Sibylle? Machst du auf Madame Bovary?«
Das wollte Arno beantworten. »Wegen Emma Thompson, der englischen Schauspielerin.«
»Was hat die denn damit zu tun?«
Arno stand auf, wandte sich an Frank. »Kann ich Ihnen erklären. Kommen Sie mit.«
»Wohin?«
»Nach draußen. Ich will mit Ihnen alleine reden.«
Das stand offensichtlich nicht in Sibylles Szenario. »Wollen die Herren jetzt für sich kungeln? Glaub ihm kein einziges Wort, Frank. Da war nichts.«
»Sie bleiben hier. Wir kommen zurück.« Arnos Stimme ließ wenig Raum für Widerspruch. Er hatte jetzt genug.
Während sie am Flussufer entlangspazierten, erzählte Arno, was er mit Sibylle erlebt hatte. Manches detailgetreuer als anderes. Frank hörte ihm stumm zu. Als Arno fertig war, überquerten sie gerade ein Wehr. Beide blieben mitten auf der Brücke stehen, sahen in das tosende Wasser. Dessen Rauschen schien Frank zum Reden zu ermutigen.
»Was machen Sie beruflich?«
»Ich bin Dozent an der TU. Bioverfahrenstechnik. Und Sie?« Jetzt bitte bloß nicht Chefarzt, Sternekoch, Immobilienmakler oder ein anderes Klischee für weiblichen Frust, dachte Arno.
»Ich bin Cellist im Opernorchester. Sibylle übrigens auch.«
Männer, dachte Arno. Wir kennen uns nicht, solange wir nicht wissen, was der andere beruflich macht. Und jetzt, da sie es wussten, half es ihnen weiter? Frank machte sich auf den Rückweg, Arno folgte ihm. Er hatte die Dinge erzählt, nun wollte er sie einordnen.
»Sie müssen das eben als eine etwas abgedrehte Liebeserklärung verstehen. Nicht dass ich Sibylle in Schutz nehmen will, aber immerhin haben Sie mit Ihren Lügereien und diesem Ring den Anfang gemacht.«
Frank brauchte wie ein Maikäfer, wenn er zu fliegen ansetzt, noch ein paar Momente, bevor er antwortete.
»Sie haben ja keine Ahnung.«
»Mag sein. Ich meine nur …«
»Jetzt hören Sie mir bitte zu, ohne mich zu unterbrechen. Okay? Ich habe Sibylle noch nie betrogen in dem Sinne, dass ich während unserer 8-jährigen Ehe Sex mit einer anderen Frau gehabt hätte. Wenn sie mich danach fragte, musste ich wahrheitsgemäß mit nein antworten, egal wie verlogen das klang.Zu Beginn des Jahres hatte ich eine kleine Erbschaft gemacht und konnte deshalb Sibylle zu ihrem Geburtstag etwas Wertvolleres als sonst schenken. Beraten von einer Kollegin, die sich da besser auskennt als ich, hatte ich einen Diamant-Einkaräter gekauft, der mit allen möglichen Steinen umfasst war, deren Namen ich bis heute nicht kenne, die den Ring aber – zumindest in meinen Augen – schöner und wertvoller machten als all den Schmuck, den Sibylle bis dahin besaß. Als ich meiner Therapeutin von dem Ring erzählte, da …«
Arno war erschrocken stehen geblieben, wagte aber nicht, eine Frage zu stellen. Frank drehte sich zu ihm.
»Ja, ich bin in Therapie wegen einer frühkindlichen Schädigung, die Sie einen Scheißdreck angeht. Nein, der Ring hat nichts mit meiner frühkindlichen Schädigung zu tun, ich habe aber trotzdem meiner Therapeutin davon erzählt, weil ich ihr alles Beziehungsrelevante erzähle.«
»Beziehungsrelevante.«
»Das ist der Terminus technicus. So etwas dürften Sie ja auch in Ihrem Berufsfeld kennen.«
»Metabolische Prozessanalyse.«
»Na, sehen Sie. Jenny, meine Therapeutin, jedenfalls sagte mir: ›Wenn du deiner Frau …‹ – ja, wir duzen uns, meine Therapeutin und ich; das ist ein neuer Therapieansatz, fragen Sie mich nicht, wie der heißt –, also: ›Wenn du deiner Frau‹, sagte Jenny, ›wenn du deiner Frau nach mehr als acht Ehejahren zum Geburtstag einen derart wertvollen Ring schenkst, wird sie das nicht als Geschenk, sondern als Trostpreis dafür verstehen, dass du sie betrügst. Schenke ihr stattdessen was Kleines, Emotionales, etwas, das auf eure gemeinsame
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