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Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Titel: Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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doch nicht zumuten.«
    Und dabei blickt er auf den kleinen Sohnemann, der jauchzend auf die Hüpfburg zurennt, während die Frau ihren Mann glücklich lächelnd in den Arm nimmt.
    »Verzeih mir«, haucht sie und küsst ihn. Beide lächeln dem hüpfenden Sohnemann zu.
    Als wäre das nicht schon enthüllend genug, schrieb Hella unten noch dazu:

    Genau so hätte Thomas geschrieben, genau so tickt der. Verlogen Happy-End-geil.
    Wenn Hella das liebevolle Verhältnis des Mannes zu »Sohnemann«, das ihn in ihrer Version der Fortsetzung ja erst dem Lügenverdacht aussetzt, als »verlogen« ansieht, dann scheint sie unter Ehrlichkeit Lieblosigkeit zu verstehen. Offensichtlich mochten sich Thomas und Hellas Sohn nicht besonders, was nicht schwer zu kombinieren war. Dazu erwies sich HellasText als zu penetrant aufrichtig. Tag des offenen Momos-Fensters quasi.
    Dann nahm Jenny sich Thomas’ Papiere vor. Ein Blatt war mit kurzen Stichworten übersät:

    Dreck am Stecken, Er: Versicherungsjustitiar, Sie: Innenarchitektin mit Anführungszeichen, Ablenken vom Ablenken, Hikikomi Gaeshi, Pingpong etc.
    Jenny sah nun die anderen Blätter durch, die oben rechts durchnummeriert waren. Thomas hatte seine Version in Drehbuch-Form geschrieben.

    SIE: Also, wo warst du?
    ER: In Gedanken bei dir.
    SIE: In Gedanken. Und in Wahrheit bei ihr!
    (Wütend feuert SIE die Tischuhr samt Glassturz auf den Boden. Alles geht zu Bruch.)
    ER: Na endlich! Das Hochzeitsgeschenk deines geschmacklosen Bruders.
    SIE: Lenk jetzt nicht ab! Raus mit der Wahrheit!
    ER
(während er mit den Füßen die Trümmer der Tischuhr zu einem Haufen zusammenschiebt)
: Wahrheit! Was ist schon Wahrheit?
    SIE: Zum Beispiel, dass es jetzt spät nachts ist.
    ER: Beweis es mir. Mit der Uhrzeit geht das ja jetzt nicht mehr.
    SIE: Es ist stockdunkel. Die Sonne scheint nicht.
    ER: Das nennst du Wahrheit? Falsch, meine Liebe. Die Sonne scheint. Aber gerade eben mal nicht für dich. Und das ist typisch: Nur weil sie für dich nicht scheint, behauptest du, sie scheint gar nicht, lügst also in Bezug auf die Einwohner von Argentinien, Mexiko und Chile, um nur ein paar betroffene Länder zu nennen. – Was soll das?
    SIE
hat sich die Autoschlüssel des Mercedes geschnappt.
    ER
hält sie fest.
    SIE: Will nur was nachschauen.
    ER: Den Kilometerstand!? Du kontrollierst den Kilometerstand?
    SIE: Weißt du doch. Oder warum setzt du ihn sonst immer mit diesem Elektronikprogramm zurück? Einmal hattest du am Abend sogar weniger drauf als am Morgen, als du wegfuhrst.
    ER: Weißt du, dass an zu viel Kontrolle schon ganze Weltreiche hopsgegangen sind? Denk an die Sowjetunion. Oder die DDR.
    SIE: Die war kein Weltreich, und Nordkorea ist stabil. WO WARST DU?!! Ich will die Wahrheit wissen.
    ER: Die Wahrheit! Die Wahrheit gibt es letztlich gar nicht.
    SIE: Aber erstlich. Und so viel Wahrheit reicht mir schon.
    Hier brach die Szene ab. Anders als Hella hatte sich Thomas offensichtlich die Zeit nicht eingeteilt. Die Notizen deuteten darauf hin, dass Thomas sich beim Schreiben in eine Art narzisstischen Rausch hineingesteigert hatte, der ihn sowohl Zeit als auch Ziel der Aufgabe vergessen ließ. Für ihn hatte der Mann im Werbespot offensichtlich »Dreck am Stecken«, aber statt zu versuchen, wie es die Aufgabe verlangte, ihn mit den Augen von Hella zu sehen, schien sich Thomas völlig mit dem Mann und seinen Nöten identifiziert zu haben. Deshalb die notierte Dialog-Marschrichtung »Ablenken vom Ablenken«. Ein wenig neidisch gab Jenny zu, dass Thomas dies auch sehr gut gelungen war.
    Den Begriff »Hikikomi Gaeshi« auf dem Schmierzettel musste Jenny erst googeln. Es handelt sich dabei um einen Wurf beim Judo, bei dem man die Bewegungsenergie des Gegners gegen ihn selbst wendet. Genau das hatte Thomas in seiner Dialog-Weiterschreibung auch getan und dabei über dem Stolz auf seine blühende Phantasie völlig vergessen, dass dies eigentlich Hellas Text hätte sein sollen. Wo Hella sich am Anfangihrer Szene korrigiert hatte, zeigte sich Thomas unfähig oder unwillig, die Vorgabe zu erfüllen. Jennys Befund war klar: nicht nur Thema verfehlt, sondern durch Verweigerung, ihre Perspektive einzunehmen, auch noch Hella erniedrigt.
    Und damit gerade nicht Thema verfehlt. Das eigentliche Thema. Der brave Thomas war in die Narzissmus-Falle geraten und hatte sich dabei als Lügner entlarvt (die Berufsbezeichnung »Innenarchitektin mit Anführungszeichen« war da nur ein weiterer Tritt in Hellas Richtung).

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