Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
wird quasi durch sich selbst besiegt.«
»Kann man so sagen.«
Hella verstand den Wink nicht. Im Gegenteil. »Haben wir jetzt Sportkunde oder Paartherapie?«
»Da sind die Grenzen manchmal fließend«, entgegnete Jenny und ahnte, dass sie die beiden verloren hatte.
Das Rollenspiel hätte ihr total gefallen, sagte Hella beim Abschied, und ihr unbekannte Dinge ans Tageslicht gefördert, auf denen sich die Beziehung erneut aufbauen ließe. Und daran würden die beiden jetzt ohne fremde Hilfe arbeiten können. Danke! Und wenn es erneut unrund liefe, dann könne man ja wiederkommen, vorausgesetzt, es gäbe wieder so eine tolle Aufgabe wie die mit dem Lügen-Werbespot. Thomas verabschiedete sich wortkarg.
»Thomas hatte für Hella Momos’ Fenster in seine Brust eingebaut«, erklärte mir Jenny später, »aber selbst wenn man da hineinschaut, sieht man nicht die Wahrheit. Da sind Schaufensterdekorateure unterwegs.«
Tags zuvor war Thomas plötzlich vor Jennys Praxis gestanden, hatte klaglos gewartet, bis sie Zeit für ihn fand, und ihr – »selbstverständlich gegen Bezahlung!« – gebeichtet.
»Natürlich hat er eine Geliebte, sogar mit gemeinsamem Kind. Aber ist ihm das zu verdenken? Thomas sagte, er wollte aus dem unbegründeten Misstrauen, das ihn ärgerte, ein begründetes machen, das ihn herausforderte.«
»Waren also seine Lügen Ursache für oder Folgen von Misstrauen?«
»Ein Henne-Ei-Problem.«
»Warum erzählt so einer dir das freiwillig?«
»Mit Lebenslügen kann man lange schweigend leben, Lebenswahrheiten muss man irgendwo deponieren, wie die PIN fürs Handy oder für die Kreditkarte. Insofern sollte man das Sprichwort, wonach Lügen kurze Beine haben, durch die Erkenntnis erweitern, dass man mit diesen kurzen Beinen verdammt weit gehen kann.«
Oder auf der Stelle tritt.
REGINE
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!
Heinrich Heine
Heute hätte ich sie fast besiegt, die Angst, dass er nicht anruft. Er hat dann aber doch noch angerufen und so weiß ich jetzt nicht, ob ich sie heute nicht doch hätte besiegen können, die Angst, dass er nicht anruft. Norbert meint es ja gut mit mir, wenn er anruft. Dass ich gerade im Penny war, konnte er nicht wissen. Und selbst wenn er es hätte wissen können, hätte er zu keinem anderen Zeitpunkt angerufen, denn er musste ja wieder auf eins von seinen Windrädern hoch, irgendwo im Bergischen. Im Windpark Freisener Höhe, sagte er am Telefon, hätte es einen weiteren Problemfall gegeben, da müsse er anschließend hin, ins Saarland. Keine Chance also, heute noch zurück nach Taufering zu kommen. Stromversorgung ist eben Stromversorgung.
Um herauszufinden, ob ich die Angst, dass er nicht anruft, besiegen kann, müsste ich ihm eigentlich nur sagen, bitte rufe morgen einmal nicht an, damit ich die Chance habe, die Angst, dass du nicht anrufst, zu besiegen. Aber am Ende findet er noch Geschmack daran und ruft überhaupt nicht mehr an und da krieg ich dann schon wieder richtig Angst davor. Obwohl, er würde in jedem Fall anrufen. Er will doch wissen, wie es den Kindern geht. Das will er ja immer wissen. »Und, wie geht’s den Kindern?«, fragt er dann. Das kommt immer, nachdem ergesagt hat, dass er heute da oder dort über Nacht bleibt. Und weil es den Kindern meistens gut geht, wenn sie nicht gerade Fieber haben, sage ich drauf, »den Kindern geht’s gut.« Und dann sagen wir uns adieu. So geht das oft. Aber, wie Norbert sagt, Außendienst ist halt nicht Innendienst, sonst hieße er Innendienst. Hauptsache, er ruft mich an und lügt.
Ich weiß, viele schreiben Tagebuch. Auch hier in der Nachbarschaft. Ich will nicht Tagebuch schreiben. Ich denke über die Dinge nach und dann gehen einige Gedanken wieder und andere bleiben, und das ist gut so. Wenn man Tagebuch schreibt, bleibt alles, auch das, was besser nicht bleiben soll. Bei mir bleibt nur das, was zählt. Der Norbert, die Kinder und natürlich das Haus hier in Taufering. Da gibt es Sprücheklopfer, die sagen, in Taufering wollten sie nicht mal tot überm Zaun hängen. Wahrscheinlich, weil die Doppelhaushälften hier alle gleich aussehen. Aber doch nur von außen! Und selbst da sind Unterschiede. Die Weigls, unsere Nachbarn gegenüber, haben ganz normale Hohlfalzziegel auf dem Dach, wir haben Doppelmuldenfalzziegel mit ClimaLife-Beschichtung, ein Riesenunterschied. Aber dafür braucht man ein Auge. Der Norbert ist im
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