Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
Grundstücks betreffende Dokumente sowie die Festplatte des Computers mitzunehmen. Mit seinen Milieu-Kumpels »Kurpi« und Wolfgang fuhr Hans Joachim in einer Februarnachtnach München und wartete vor Hagens Villa. Ein Einbruch kam wegen der Alarmanlage nicht in Frage. Man wollte den Steuerberater bei seiner Heimkehr abfangen, mit ihm ins Haus dringen und dann den Job erledigen. Doch der Plan ging schief. Entscheidend war wohl, dass Hagen sich zu sehr wehrte, so dass die Täter, einer davon ein schwerer, wuchtiger Junge, gezwungen waren, ihn zu fesseln. Dabei drückten sie ihn so heftig auf den Boden, dass er erstickte.
Nach der Aussage der Kellnerin nimmt die Kripo die Ermittlungen wieder auf, verhaftet die wahren Täter. Das Gericht revidiert endlich sein krasses Fehlurteil und lässt Kaufmann wegen erwiesener Unschuld frei. Justitia wird immer als nicht sehend dargestellt. Was man nicht sofort erkennt: Sie ist auch arg schwerhörig. Nicht überliefert ist, ob die Kellnerin ihre Aussage machte, weil ihr »Kurpi« sie betrogen hat. Ähnliche Fälle legen das aber nahe. Und so könnte es sein, dass durch »Kurpis« Betrug ein Selbstbetrug aufflog, was die zum Lügenverständnis wichtige Gerechtigkeitsbilanz wieder glattstellen würde.
Die Presse zeigte großes Verständnis für Günther Kaufmann und sein tragisches Schicksal. Als farbiges Besatzungskind in Münchens Problemviertel Hasenbergl aufgewachsen, so der Tenor, hatte er bereits eine harte Kindheit. Dann geriet er in den 70er-Jahren auch noch in die Menagerie des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder (›Götter der Pest‹, ›Whity‹), der, so ging die Fama, seine Hochzeitsnacht lieber mit Kaufmann als mit seiner frisch angetrauten Frau Ingrid Caven verbrachte. Nach Fassbinders Tod schlug Kaufmann sich mit diversen TV-Rollen kleineren Kalibers durch, privat, so die Sensations-Presse, verfiel der leicht zu manipulierende Ichschwächling den Frauen in sexueller Hörigkeit. So etwas gebiert Tragödien, und ein Mann, der aus Liebe sein eigenesLeben kaputtlügt, ist allemal ein tragischer Held. Bevor Günther Kaufmann mit 64 Jahren an gebrochenem Herzen starb, gab er noch den »schrecklichen Sven« im Kinderfilm ›Wickie auf großer Fahrt‹ und schlug sich durchs »Dschungelcamp«. Manchmal dauert der Horror bis zum Ende.
Als 1932 das Kind des Atlantik-Überfliegers Charles Lindbergh entführt wurde, was weltweit Entsetzen auslöste, bezichtigten sich in den USA über 200 Personen der Tat. Dank der Kanalisierung der manischen Profilneurosen in TV-Castingshows wäre die Anzahl der Selbstbezichtiger heute wohl geringer. Denn, so haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, eines der bestimmenden Motive, sich fälschlich zu einem Verbrechen zu bekennen, ist übersteigerter Geltungsdrang, wie etwa bei jenem Henry Lee Lucas, der sich in den 1980er-Jahren hunderter Morde selbst bezichtigte, wohl nur weil er als größter Serientäter aller Zeiten ins Guinness-Buch der Rekorde kommen wollte. Andere gestehen aufgrund umstrittener Verhörmethoden, von denen das neunstufige »Reid-Verhör« das bekannteste und perfideste ist, weshalb es in einigen Bundesländern nicht angewendet werden darf.
Dass einer bereit ist, 15 Jahre in den Knast zu gehen, um seine Frau zu decken, die ihn nicht nur nachhaltig belogen und betrogen hat, sondern ihn auch über ihren vor dem Urteil eingetretenen Tod hinaus schädigte, das macht den Fall Kaufmann allerdings im Genre der falschen Geständnisse einzigartig und taucht das moralisch so gerne verdammte Werkzeug der Lüge in den Glanz von Heldentum, Pathos – und sicher auch von Pathologie. Doch wie viel Selbsthass und Strafsehnsucht dabei auch im Spiel gewesen sein mögen, diese Lüge war die Wahrheit von Kaufmanns Liebe.
DER RASHOMON-FAKTOR (2)
Es war ziemlich rasch gegangen. Keine zwei Wochen nach dem Beschluss zusammenzuziehen, hatten Amelie und Rainer eine auf den modernsten energieeffizienten Stand renovierte Altbauwohnung gefunden. Amelie brachte ihr Schlafzimmer mit, Rainer seine Couch, seine Bücher und die Unterhaltungselektronik. Die Küchenutensilien reichten fürs Frühstückmachen, abends gingen sie essen oder nahmen sich was vom Chinesen, Italiener oder Koreaner mit.
In der ersten Zeit genügten sie sich selbst. Zu verschieden waren ihre Cliquen, als dass sie Überschneidungen hätten herbeiführen wollen. Rainer nahm Amelie auf die diversen Medien-Events mit, Amelie versuchte an den Wochenenden Rainer für ihre
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