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Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Titel: Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Studentenumfeld zu befreien. Außerdem hatte Rainer eine Golfausbildung zu absolvieren mit dem Ziel, im nächsten Jahr ein Handicap unter 36 zu spielen, was ihm den Zugang zu den meisten Golfplätzen und damit zum
Playground
für Entscheider ermöglichte. Und der Coach legte ihm nahe, sich medien- und filmhistorisch kundig zu machen. Absurderweise, so der Coach, träfe man in dieser Branche gerade bei den Entscheidern hie und da noch auf Menschen, die wüssten, woher ihr Job komme, und denen er auch noch Spaß mache. Diese Leute seien mit filmhistorischen Kenntnissen zu beeindrucken. Wie Rainer ein Fan von Stanley Kubrick zu sein, reiche jedoch nicht aus. Zum Einstieg empfahl der Coach deshalb die Cinemathek der ›Süddeutschen Zeitung‹, 100 Filme quer durch die Filmgeschichte. Ein guter Überblick. Wenn man die 100 draufhabe, dann könne man eigentlich überall mitreden, von der Gala bei der Berlinale bis zum
petit déjeuner à la plage
bei der MIP, der Fernseh-Messe in Cannes. Was im aktuellen TV-Programm bei der
scripted reality
gerade hip war, kannte man eh.
    Der Trick mit den Handyfotos von Frau Schmitz hatte funktioniert. Amelies Chef kapierte sofort, als sie ihm eines der Bilder hingehalten hatte. Er nickte nur stumm, aber von da an gab es keine schlüpfrigen Bemerkungen, keine zufälligen Berührungen mehr. Wenn Amelie etwas an den Schicht- und Urlaubsplänen nicht passte, dann ließ sie Herrn Tolar nur schöne Grüße von Frau Schmitz ausrichten und alles wurde nach ihren Wünschen geregelt. Doch Amelie konnte sich nicht darüber freuen, sie empfand nicht mal Genugtuung. Irgendetwas daran war nicht gerecht. Sicher, sie hatte ihren Chef nun in der Hand, aber es fühlte sich an, als umklammere sie eine entsicherte Handgranate.
    Jetzt, als sie in der trüben Dezembersonne, deren schräge Strahlen durch das Ästegewirr der kahlen Bäume brachen, auf der Bank saß und langsam wieder zu Atem kam, dämmerten ihr die Zusammenhänge. Sie hatte aus Mitleid gelogen, als sie die Beschuldigungen gegen ihren Chef zurücknahm, war aber selbst belogen worden und erpresste nun den Lügner. So weit, so korrekt. Aber durch ihre Mitleidslüge hatte sie ihre eigene Waffe – die Wahrheit – freiwillig aus der Hand gegeben und sie mithilfe Rainers durch eine vermeintlich stärkere ersetzt: Erpressung durch Verschweigen der Wahrheit. Nur war das jetzt nicht mehr ihre eigene Waffe, es war Rainer, der sie scharf gemacht hatte. Nun endlich, während der Puls wieder auf Normalwert sank, konnte sie ihr Unwohlsein definieren: Sie fühlte sich Rainer ausgeliefert. Mit einem Ruck zog sie sich die iPhone-Stöpsel aus den Ohren. Jetzt keine puschenden Beats, sie wollte nachdenken. Wenn ihre gemeinsame Basis »Wahrheit oder Tod der Liebe« noch intakt war, musste sie Rainer ihr Gefühl des Ausgeliefertseins offenbaren. Aber war ihre Basis noch intakt? Mit einigem Schreck bemerkte sie, dass sie vor dieser Frage keine Angst hatte, auch nicht vor ihrer Beantwortung.Wann ist etwas nicht mehr intakt? Wenn da und dort der Lack ab ist, wenn man Kratzer und Schrammen sieht, wenn Bedienungselemente nicht mehr funktionieren oder erst dann, wenn dieses Etwas seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann? Wie bei einem Auto. Nun erschrak sie wirklich. Wie oft hatte sie von den Zotenzauseln am Flughafen um sich herum schlüpfrige Bemerkungen in Automechanikersprache gehört. Nun begab sie sich selbst auf dieses Niveau. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und stand auf. 48 Minuten 13 Sekunden für die sieben Kilometer las sie auf ihrem iPhone. Durchschnitt.
    Nein, den fettfreien Naturjogurt beim Discounter rührte er nicht an. Die Discounter, so hatte Rainer es gelesen, treiben deutsche Milchbauern in den Ruin. Den fettfreien Naturjogurt, die Milch, die Eier und die Crème fraîche würde er wie immer später bei der Biocompany kaufen. Rainer wollte sich nicht an den deutschen Milchbauern versündigen. Und doch ging er zum Discounter. Und zwar alleine. Jeden Samstag. Dort an den Kühlregalen, am Brotautomaten, bei den Getränketürmen und an den Kassen konnte er ungestört sein Publikum studieren, das er sonst ja nie zu sehen bekam. Er hörte zu, wie sie sich unterhielten, die Waren prüften, mit Schnäppchenjägerblicken die Preise verglichen, bei besonders grob präsentierten Sonderangeboten ihren Herdentrieb auslebten. Er brauchte diese wöchentliche Privataudienz beim Publikum, wie er das nannte, um den Rest der Woche zu wissen, dass er nicht ins unendliche

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